W. beginnt zu erzählen.

Mit leuchtenden Augen. Wie er damals mit seinem Vater rausgeflogen ist. Weil sie geschummelt hatten. Aber woher hätten W. und sein Vater wissen sollen, dass der Bahnbetreiber nicht nur Strom einspeiste, sondern auch ein Messgerät hatte. Um zu kontrollieren, wie viel Strom entnommen wurde.

foto: hotslot.at

"Der hat kurz ,öha' gesagt",

weiß W. heute noch - und lacht, als wäre er immer noch ein zehnjähriger Bub -, "das Auto genommen und auf die Unterseite geschaut. Er hat den Magneten natürlich sofort gesehen." Es war schmachvoll: W. und sein Vater wurden disqualifiziert. Und auch der Halle verwiesen. Schließlich gibt es auch bei Modellautorennbahnen einen feinen, aber doch relevanten Unterschied zwischen Tuning und Schummeln.

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W. kann nicht aufhören, sich zu erinnern.

An Hallen und Hinterzimmer, in denen Modellautorennbahnen aufgebaut waren. An Rennen, in die man sich mit dem eigenen Wagen ins Renngeschehen einkaufen konnte. An Versuche, den Boliden mehr Grip ("Gummi arabicum, sag ich immer, Gummi arabicum!"), mehr Speed ("Viele Wicklungen mit ganz dünnem Draht") oder mehr Power ("wenige Wicklungen mit dickem Draht") zu geben.

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An die Tricks,

die Bemalung der Autos unfallsicher zu machen ("durchsichtige Chassis und innen malen - mühsam, aber effizient"). Und eben an die Sache mit dem Magneten, der das Aus-der-Kurve-Fliegen hätte verhindern sollen. "Wir sind gesenkten Hauptes zu Hause angekommen."

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W. seufzt. Greift nach einer Zigarette. Schenkt nach.

Und kann nicht aufhören: "Das Problem", doziert der heute mitten in den Dreißigern, mitten im Leben und mitten in der Werbeszene stehende Mann, "war immer das Auf- und Abbauen der Bahnen zu Hause. Da hat es sich dann immer gespießt, die Teile haben nimmer zusammengepasst oder die Autos sind einfach nicht mehr gefahren." Und das, obwohl "ich sogar den Wagen von Jochen Rindt gehabt habe".

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W.s Freundin lächelt verzeihend- verständnisvoll.

Bloß: Da gibt es nichts zu verstehen. Oder zu verzeihen. Nicht bei den Männern am Tisch. Die sind jetzt nämlich mindestens genauso aufgeregt wie W.: Wie, bitte, konnte dieses Ereignis an ihnen vorüberziehen? Mitte Oktober.

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Ein Modellautorennbahnrennen.

Im Keller dieses doch gerade in ihrer Szene so schicken Innenstadtrestaurants. Und das ihnen, wo sie doch . . . Und dann kommen Erzählungen von eigenen motorisierten Heldentaten im Kinderzimmer. Irgendwann verschwindet das Lächeln im Gesicht von W.s Freundin. Sie gähnt. Niemand achtet darauf. Es gibt Wichtigeres.

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Martin und Christian Markeli stehen in ihrem Atelier

und fühlen sich überhaupt nicht schuldig. Sie haben dafür zu viel zu tun. Schließlich müssen sie Modellautorennbahnen bauen. Für Leute wie W. Denn die Zeit, spüren die beiden Brüder, ist reif: W. und seine Freunde, eigentlich eine ganze Generation, sind alt genug, um - ohne es peinlich zu finden - von Bubenekstase im Kinderzimmer zu träumen. Und wohlhabend genug, um sich diesen Traum ins Heute zu holen. Natürlich ohne die Bugs, Fehler und Frustrationen der ewig defekten Spielzeuge der eigenen Vergangenheit.

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Die Markelis machen Bubenträume wieder wahr:

Sie bauen Rennautobahnlandschaften. Oder vermieten Rennautobahnen. An erwachsene Bubenrunden, die dann wochenendenlang im Markelischen Souterrainatelier - oder eben in hippen Innenstadtkneipen - stehen und an einer der Speedbahnen streichholzschachtelgroße Autos mit bis zu 70 km/h über die Bahn (und hoffentlich nicht aus der Kurve) fliegen lassen. Allerdings: "Modellautorennbahn" war gestern. Heute sagt man "Slotracing".

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Der Effekt ist der gleiche:

"Den Peter Pilz", erzählt Martin Markeli, "haben wir einmal wirklich fast mit Gewalt von der Bahn entfernen müssen, der stünde immer noch hier." Eigentlich sind die beiden Brüder ja Künstler: Bilder, Lampen, beleuchtete Objekte hängen und stehen im 300 m² großen Atelier - aber seit die beiden vor rund eineinhalb Jahren begonnen haben, Schienen und Autos im Maßstab H0 (1:67, "wie die Modelleisenbahnen") zusammenzutragen, schaut kaum ein Besucher mehr auf die Kunst.

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Zumindest nicht auf die ohne Autorennbahnen.

Denn neben am Computer entworfenen und dann präzise gefrästen Speedstrecken bauen die Markelis auch Bahnen, die in "Landschaften" eingebettet sind - freilich haben die meist wenig mit der spießbürgerlichen Kleinbahnszenerie von Onkel Franz' Modellbahntraum im "Hobbyraum" gemein: Nicht umsonst sprechen Christian und Martin Markeli von "Objekten", die man "an die Wand hängen kann". Bis Freunde kommen. Und - natürlich - könnte man die Bahnen auch in Schreibtische oder sonstige Möbelstücke einbauen: eine Frage des Geldes.

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Denn wer eine billige Autorennbahn

für ein paar Hunderter haben will, den schicken die Rennautobahnbrüder ins nächste Spielzeuggeschäft: Unter 50.000 Schilling gibt es die Slotracestrecken nämlich nicht. Einerseits, weil so eine Bahn viel Arbeit ist. Andererseits aber auch, weil vor allem die Schienen extrem schwer zu bekommen sind:

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Die schwarzen,

für die Kunst-Strecken, werden seit Jahren nicht mehr hergestellt und daher auf Messen und im Internet immer teurer gehandelt. Die grauen, für Speedstrecken, werden überhaupt nur auf Auftrag gefräst. Und auch bei den Autos gibt es längst eine Sammlerszene. 2000 Schilling für eine besonders rare rasende Streichholzschachtel sind auf Spielzeugmessen keine Seltenheit.

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Dafür bräuchte W. heute keine Angst mehr zu haben,

wegen eines Magneten im Auto disqualifiziert zu werden: Die meisten Boliden haben den heute serienmäßig eingebaut. Fürs Tuning - und zum Schummeln - bleibt aber immer noch eine Menge Spielraum. (Thomas Rottenberg, RONDO 23/11/2001)

INFO
"Hotslot-Atelier"
Lindengasse 62
1070 Wien
Streckenbesichtigung:
Mi und Do 11 - 16 Uhr oder nach Voranmeldung:
0699/11423274 und 0699/19234170

LINK
www.hotslot.at

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