Nicht nur arabische, auch tschetschenische, usbekische, tadschikische, uigurische und pakistanische Islamisten haben diesen Sommer während der alljährlichen Offensive an der Seite der Taliban gekämpft und sitzen jetzt mit ihnen in der Falle. Seit Tagen gibt es Gerüchte, dass die fremden Kämpfer die eigentliche Antriebskraft für den Widerstand gegen die Nordallianz und die amerikanischen Angriffe sind, dass die Afghanen oft nur unter Androhung von Gewalt in ihren Stellungen bleiben. Sie würden am liebsten den Bart abrasieren, den Turban abnehmen und nach Hause gehen. Ob sie nicht auch ohne Turban und Bart Taliban bleiben, das ist eine der großen Fragen für die Zukunft Afghanistans.

Die "Ausländer" können nicht so leicht zurück, besonders die Araber, die den harten Kern der Truppe um Osama Bin Laden bilden. Während die USA die Verhandlungen um die Übernahme von Kundus der Nordallianz überlassen - was (wenn es denn stimmt!) eher ein Hinweis darauf wäre, dass sie keine wichtigen Al-Qa'ida-Leute in der Stadt vermuten -, versuchen US-Kommandos, die möglichen Verstecke nacheinander aufzurollen und Bin Laden eine Rückzugsmöglichkeit nach der anderen zu nehmen. Wie sehr sie dabei auf die Kooperation der lokalen Bevölkerung zählen können, ist völlig unklar.

Zuletzt war viel vom Hass der Afghanen auf die Fremden die Rede, davon, dass auch die Taliban-Basis mit dem arabischen Einfluss auf ihre Führung unzufrieden waren. Vieles, was im letzten Jahr passiert ist, wurde einer von Bin Laden importierten Ideologie angelastet, von der Zerstörung der Buddha-Statuen über das Verbot des Opiumanbaus (für einen armen Bauern durchaus kein positives Ereignis) bis zum jetzigen Krieg. In Afghanistan ist der erste Versuch einer arabisch gelenkten islamistischen Internationale wohl am Ende, das heißt aber keineswegs, dass sie für immer tot und begraben ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.11.2001)