Wien - Abseits der von der SPÖ angezettelten Neuwahldebatte war die Einführung der Chipcard ein zentrales Thema im Nationalrat. Oder, wie Sozialminister Herbert Haupt korrigierend festhielt: "Die Einführung der Chipcard hat schon von der rot-schwarzen Regierung 1999 beschlossen. In der heutigen 59. ASVG-Novelle geht es um eine Ergänzung, welch die freiwillige Speicherung von Notfalldaten auf der Karte vorsieht."

Genau das will die Opposition nicht. Sie fürchtet den Missbrauch von vertraulichen Daten und wirft der Regierung vor, weiter am gläsernen Menschen zu basteln. Die Chipkard sei nur ein weiterer Schritt in Richtung der besonders seitens der FPÖ propagierten "Bürgerkarte", so der Tenor der Kritik. Es sei "grotesk, dass die Chipcard dem Arbeitgeber nicht sensible Daten vorenthält, die der, so er ihm nicht wohlgesonnen ist, gegen den Arbeitnehmer verwenden kann", formulierte es der grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald vornehm wie immer.

"Anschlag auf Bürgerrechte"

Deutlicher wurde sein Kollege Karl Öllinger. Die Debatte über die Gebühr für die Chipkarte habe verdeckt, dass mit Einführung der Karte ein Anschlag auf die Bürgerrechte einhergehe: "Mit dieser kleinen Karte beginnt der Einstieg in den Schnüffelstaat." Dem konnte Haupt überhaupt nichts abgewinnen. Aus eigener Erfahrung mit einer ansteckenden Krankheit - Haupt leidet seit einer Bluttransfusion nach einem Unfall an Hepatitis C - könne er nur auf die Wichtigkeit der schnellen Abrufbarkeit relevanter Gesundheitsdaten verweisen. Für den Fall, dass er bewusstlos in eine Krankenhaus eingeliefert werde, sollte das Personal doch über die erhöhten Schutzmaßnahmen Bescheid wissen, die seine Krankheit erfordere, meinte Haupt. Es sei darüber hinaus bereits jetzt jenseits aller Menschenwürde, wenn die Taschen eines Verunfallten durchstöbert werden müssten, um an gesundheitsrelevante Daten, etwa in der Form schon bestehender Diabetes-, Bluter- oder Allergiepässe zu gelangen.

FP-Sozialsprecher Reinhart Gaugg erregte mit der Anmerkung die Heiterkeit der Opposition, dass viele "mit Begeisterung" darauf warten würden, ihre Notfalldaten auf die Karte integrieren zu können. VP-Sozialsprecher Gottfried Feurstein wiederum warf Öllinger vor, bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben.

Die Verfassungsexperten hätten keine Bedenken gegen die Chipcard geäußert, und außerdem werde nur der behandelnde Arzt, nicht aber der Arbeitgeber Einblick in die Daten erlangen. Die Frage nach der Höhe des Verwaltungsaufwandes, die vor allem SP-Chef Alfred Gusenbauer einforderte, blieb dagegen unbeantwortet.

Offen ist nach wie vor, ob es eine Gebühr geben wird: Das sei "noch lange nicht gesichert ist", behauptete der freiheitliche Gesundheitssprecher Alois Pumberger. (kob)

(DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2001)