Wirtschaftspolitik
Liebscher: Stagnation, aber keine Rezession
OeNB-Gouverneur: "Zinsen mehr als angemessen" - Kein Rütteln am Stabilitätspakt
Wien - Die Konjunktur in Österreich und in der Eurozone
befindet sich in einer Stagnation, sei aber weit entfernt von einer
Rezession, so die Einschätzung des Gouverneurs der Oesterreichischen
Nationalbank (OeNB), Klaus Liebscher. Er sieht eine vorübergehende
Wachstumsverflachung, der Trend sei unbestreitbar rückläufig.
"Stagnation ist das vorsichtige Wort in einer Zeit hoher
Unsicherheit", sagte Liebscher am Freitag im Klub der
Wirtschaftspublizisten in Wien. Auch in aktuellen EU- und
OECD-Prognosen sei nicht die Rede davon, dass die europäische
Wirtschaft einer Rezession entgegengehe."Realistischer Optimist"
Der Nationalbanker, der sich selbst als "realistischen Optimisten"
bezeichnet, warnte vor "unbegründetem Pessimismus". Manche wären
offenbar "fast glücklich, wenn es eine Rezession gebe". Sämtliche
Konjunkturprognosen bewegten sich derzeit "auf dünnem Eis", daher sei
große Vorsicht bei der Wortwahl angebracht. Er wolle nicht Vertrauen
erschüttern mit Aussagen, die morgen vielleicht nicht mehr stimmten.
Die Wirtschaftswachstum im Euroraum werde heuer um rund 1,5 Prozent
liegen, für 2002 erwartet Liebscher ein Wachstum in derselben
Größenordnung. 2003 könne man sich wieder dem Potenzialwachstum
annähern. Die fundamentalen Aussichten für Europa seien auf Grund der
Preisstabilität, der Strukturreformen und der Sanierung der Haushalte
weiter günstig.
Festhalten am Stabilitätspakt
Neuerlich bekräftigt hat der OeNB-Gouverneur die
Notwendigkeit des strikten Festhaltens am Stabilitätspakt. Entgegen
anders lautender Medienberichte gebe es innerhalb der Europäischen
Zentralbank (EZB) in dieser Frage keine abweichenden Meinungen.
Zinsen "mehr als angemessen"
Die aktuellen Leitzinsen in der Eurozone seien "mehr als
angemessen, um ein Umfeld zu schaffen, das der wirtschaftlichen
Erholung dient", sagte Liebscher. Die Europäische Zentralbank (EZB)
müsse die Situation laufend analysieren. Im Lauf des Jahres 2002
werde die Inflation deutlich unter den angestrebten Referenzwert von
zwei Prozent im Jahresabstand sinken, erwartet Liebscher. Die Öl- und
Energiepreise dürften weiter stabil bleiben, Sonderfaktoren durch
BSE- und MKS-Krise würden wegfallen, auch seien moderate
Lohnabschlüsse zu erwarten.
Deregulierungen
Für die Politik seien weitere Deregulierungen in der derzeitigen
Situation unumgänglich, insbesondere Fortschritte bei der
Ladenöffnung hielte er für angebracht, so Liebscher. Verbesserungen
seien auch bei den Ausgaben für Forschung und den Pensionen
notwendig. Plänen einer Steuerreform steht der Nationalbank-Chef
grundsätzlich positiv gegenüber, der Staat müsse sich eine solche
Reform aber nachhaltig leisten können. Die Einführung etwa einer
Vermögensbesteuerung sei aber als "Kalt-Warm-Politik" abzulehnen.
Nulldefizit keine "ökonmische Kategorie"
Das von der Regierung propagierte "Nulldefizit" bezeichnete
Liebscher heute als "politische Kategorie, keine ökonomische". Für
die Nationalbank sei relevant, ob ein Budget ausgeglichen sei oder
nicht, der Trend sei entscheidend. Für ihn sei ein Defizit "von -0,3
Prozent genauso ausgeglichen wie eines mit +0,3 Prozent" des
Bruttoinlandsprodukts, sagte Liebscher.
"Euro hat sich bestens bewährt"
Der Euro habe sich fast drei Jahre nach seiner Einführung bestens
bewährt, seit damals habe es in Europa keine Währungskrise mehr
gegeben. Die Vorverteilung des Euro-Bargelds sei mit der Auslieferung
von 85 bis 90 Prozent der Banknoten und Münzen "mehr oder minder
abgeschlossen". Preiserhöhungen bei der Umstellung seien "kein großes
Thema mehr", die Inflationsrate könnte dadurch kurzfristig um
höchstens 0,1 oder 0,2 Prozent steigen. Auch mögliche Effekte im
Konsumverhalten seien nur temporär. Mit der "sehr hohen" Akzeptanz des Euro in Österreich ist
Liebscher sehr zufrieden, auch mit dem Informationsstand.
Sicherheitshalber startet die OeNB Anfang Dezember noch einmal eine
groß angelegte Direct Mail-Kampagne an alle heimischen Haushalte. (APA)