Wien - Die Grünen ärgerten sich. "Das sticht uns ausgerechnet die Sozialdebatte ab." Die Blauen wunderten sich. "Jetzt ist die Katze aus dem Sack", freute sich FP-Abgeordneter Reinhart Gaugg. Viel damit anfangen konnte er nicht, außer ein wenig auf den leeren Sack einzuschlagen. Die SPÖ sorgte mit ihrem Neuwahlantrag am Freitag zweifellos für die Überraschung des Parlamentstages und nahm deutlich sichtbar Tempo auf. Das Signal an die Kritiker, die den Roten immer wieder vorgehalten haben, bewegungslos im Unterholz der Opposition zu stecken, war klar und deutlich. SPÖ will es wissen Seit Freitag dürfte auch der letzte der so genannten politischen Mitbewerber, der sich dem von SP-Klubobmann Josef Cap entfachten rhetorischen Wirbelwind ausgesetzt sah, eines begriffen haben: Das ist eine andere SPÖ als noch vor wenigen Wochen, und sie will es jetzt offenbar genau wissen. Symptomatisch dafür und offensichtlich, dass die SPÖ endgültig mit dem Geschehen seit dem Bruch der Koalition mit der ÖVP abgeschlossen hat, war die Attacke Caps, der den Spieß der bereits zur Gewohnheit gewordenen Vorhaltungen der FPÖ einfach umdrehte: "Sie jammern über die Zeit vor ihrer Regierungsbeteiligung. Sonst fällt Ihnen nichts ein, außer jammern, jammern, jammern." Gusenbauer: Arbeitslosigkeit steuert auf Rekordhöchststand zu Dass die SPÖ etwas im Schilde führte, war auch an der Rednerliste absehbar, auf der Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer an erster Stelle zum relativ unbedeutenden Thema 59. ASVG-Novelle geführt wurde. Er kam gleich zügig zur Sache: Im Hauptverband habe die Regierung alle Funktionäre durch ihre Gewährsleute ersetzt, die Arbeitslosigkeit steuere im Winter auf einen Rekordhöchststand zu, die Finanztöpfe des Arbeitsmarktservices seien für die Budgetsanierung ausgeräumt worden: "Weil die FPÖ ja nichts gegen direkte demokratische Mittel wie Volksbefragungen einzuwenden hat, schlagen wir die umfassendste Form der Volksbefragung vor: Neuwahlen, um unser Land von dieser Regierung zu erlösen." Deutlich überrascht suchte Gaugg als Erster für die FPÖ zu parieren, aber außer einigen Untergriffen gegen den ehemaligen Wiener AK- Direktor Vogel fiel ihm nur ein, der SPÖ die Opposition zu erklären: "Sie sind ja keine Oppositions-, sondern eine Destruktionspartei." Cap: "Sie sind am Ende." Den Eindruck erweckte Cap als zweiter SP-Redner durchaus nicht. Alle relevanten Arbeitsdaten unter EU-Schnitt, EU-Spitzenreiter im Verlust von Arbeitsplätzen, die höchste Steuer- und Abgabenquote der 2. Republik, auf dem Weg zu britischen Sozialverhältnissen - Cap ließ nichts aus: "Es ist Zeit für einen Wechsel, Sie haben abgewirtschaftet, Sie sind am Ende." Überraschenderweise lockte Cap damit ausgerechnet den sonst so ruhigen Minister Herbert Haupt aus der Reserve. Der erhob sich von der Regierungsbank und rechnete Cap brüllend die Versäumnisse der SPÖ in den letzten 30 Jahren vor. Der Coup "Opposition neu" war gelungen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.11.2001)