Wien - Trotz ablehnender Stimmen aus dem Europaparlament will die EU-Kommission dafür sorgen, dass auch der öffentliche Personennahverkehr private Konkurrenz erhält. "In Ländern, wo die Nahverkehrsmärkte bereits geöffnet sind, zeigt sich, dass kontrollierter Wettbewerb die Qualität der Verkehrsleistung verbessert hat und den Verkehrsunternehmen letztlich auch mehr Passagiere gebracht hat. Genau das ist das Ziel der EU-Kommission", sagte Günter Hanreich, Direktor in der Generaldirektion Transport und Energie in Brüssel, am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Österreichischen Gesellschaft für Verkehrspolitik. Erst Mitte November hat das EU-Parlament einen Verordnungsvorschlag der Kommission zur Einführung einer zwingenden Ausschreibungspflicht für den öffentlichen Verkehr in einer ersten Lesung abgelehnt. Der wahrscheinlichste Weg sei nun, dass die EU-Kommission einen modifizierten Vorschlag auf den Tisch legt, im Rat weiter diskutiert und sich um eine Mehrheit im EU-Parlament bemüht. Diese zweite Lesung werde aber "sicher nicht vor Ende 2002" sein, so Hanreich. der Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs Würde eine Behörde versuchen, durch eine direkte Vergabe den Markt abzuschotten, so widerspreche das geltendem EU-Recht. Hanreich: "Es kann nicht sein, dass wir einem Unternehmen die Niederlassung in einem EU-Land erlauben und es dann an der Ausübung seiner Tätigkeit hindern." Letztlich müssten das aber die Gerichte entscheiden. Einige Verfahren seien bereits beim Europäischen Gerichtshof anhängig. Für die Entscheidungsfreiheit der Kommunen bei der Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs hatten sich unter anderem auch Vertreter der Stadt Wien stark gemacht. Hanreich verwies auf eine in 24 Großstädten der EU vorgenommene Untersuchung über die Entwicklung des Personennahverkehrs unter Wettbewerbsbedingungen und ohne Wettbewerb. Dabei habe sich gezeigt, dass in Städten wie Kopenhagen, Helsinki, Stockholm, London und Lyon, wo es bereits seit einigen Jahren Wettbewerb bei den Öffis gibt, die Passagierzahl im öffentlichen Verkehr um durchschnittlich 1,8 Prozent pro Jahr gestiegen seien - in London sogar um 13 Prozent. In Städten ohne Wettbewerb hingegen sei die Kundenzahl um 0,7 Prozent gesunken. Ausnahme Wien Eine Ausnahme ist Wien, wo es den Verkehrsbetrieben trotz Monopolstellung gelungen ist, die Kundenzahl um 2,3 Prozent zu steigern. Allerdings sei in der Bundeshauptstadt im Gegensatz zu anderen Metropolen, wo ebenfalls ein Anstieg der Fahrgastzahlen festgestellt werden konnte, auch der Zuschussbedarf in die Höhe gegangen. (stro, DER STANDARD Print-Ausgaeb 23.11.2001)