Wirtschaftspolitik
Grasser: Nulldefizit ist "kein Dogma"
Regierungsparteien verteidigen aber Budgetkurs
Nulldefizit sei kein Dogma - Massive Kritik der Opposition an aktuellem Budgetkurs
Wien - Den Vorwurf des Sozialabbaus sowie der höchsten
Steuerquote in der Geschichte des Landes musste sich Finanzminister
Karl-Heinz Grasser (F) am Donnerstag im Nationalrat im Rahmen der
Debatte zum Rechnungsabschluss 2000 erneut von SPÖ-Budgetsprecher
Rudolf Edlinger gefallen lassen. Das Wirtschaftswachstum sinke,
Inflation und Arbeitslosenzahlen würden steigen. WIFO und OECD würden
da von Rezession sprechen - nur Grasser nehme das Wort nicht in den
Mund und steuere auch nicht gegen diese Entwicklung. Auch Grünen-Chef
Alexander Van der Bellen forderte den Finanzminister auf, zu handeln.
Der Angesprochene hielt einmal mehr fest: Österreich habe keine
Rezession, davon sei er "felsenfest überzeugt".
Van der Bellen: Auch strukturelles Defizit geschrumpft
Van der Bellen zog in seinem Beitrag nüchtern Bilanz: positiv sei
beim Rechnungsabschluss etwa zu vermerken, dass sich nicht nur das
Budgetdefizit verringert habe, sondern auch das strukturelle Defizit
kleiner geworden sei. Negativ sei die höchste Abgabenquote, die
Schlusslicht-Position Österreichs in der EU bei der Schaffung neuer
Arbeitsplätze und der hohe Nettoverlust an Arbeitsplätzen anzuführen.
Der Grünen-Chef war Grasser "Salden-Fetischismus" und
"Nulldefizit-Fetischismus" vor. In konjunkturell schlechteren Zeiten
müsse man die automatischen Stabilisatoren im Budget durchschlagen
lassen - das bedeute etwa höhere Ausgaben für vorgezogene
Investitionen bei gleichzeitigem Zulassen eines Defizits. "Das tut
dem Arbeitsmarkt gut", so Van der Bellen. Außerdem solle sich der
Finanzminister auf EU-Ebene darum bemühen, dass für den
Stabilitätspakt künftig das strukturelle Defizit herangezogen würde.
Grasser hielt dem entgegen: das Nulldefizit sei "kein Dogma", es
gehe nicht darum, jedes Jahr kein Defizit zu haben. In guten Zeiten
sollte es zu einem Überschuss kommen, in schlechten könne es schon
einmal ein Defizit sein. Als "Fakten", warum es in Österreich keine
Rezession gebe, führte Grasser an: im vergangenen Oktober sei die
Rekordbeschäftigungszahl von 3,164.000 erreicht worden. Es gebe zwar
ein schwächeres Wirtschaftswachstum, "aber wir wachsen". Es gebe 75
Mrd. S mehr an Wertschöpfung. Und die Exporte seien um 195 Mrd. S
höher als 1999. Zinssenkungen und niedrigere Erdölpreise hätten das
Ihre dazu beigetragen. "Das ist ein Konjunkturprogramm", sagte der
Finanzminister.
Edlinger weist auf Abgabenquote hin
Um die Kommazahl nach der 44 sei, was die Abgabenquote betrifft,
in den vergangenen Wochen viel gerechnet worden, so Edlinger. Die EU
habe nun einen Wert für Österreich genannt: 45,6 Prozent. Die
Krawatte Edlingers zeigte am Donnerstag blaue Haie. "Ich trage das
erste Exemplar Ihrer Fankrawatte", sagte Edlinger zu Grasser. Der
Finanzminister konterte, er wolle das "Bummerl" der höchsten
Abgabenquote nicht auf sich sitzen lassen. Und nehme man die
implizite Steuerquote, diese beziehe auch die Staatsverschuldung ein,
sei diese zwischen 1995 und 1999 bei 48 Prozent gelegen. "Das Bummerl
bleibt bei Ihnen", so Grasser.
Verteidigt wurde der aktuelle Budgetkurs erwartungsgemäß auch von
den Rednern der Regierungsparteien. Gilbert Trattner (F) betonte, es
sei wichtig, dass keine neuen Schulden gemacht würden. Günter
Stummvoll (V) betonte, am Ende des Tunnels werde das Licht schon
erkennbar: "Neue Chancen statt neuer Schulden". Diese Worte zierten
auch Tafeln, die die ÖVP-Abgeordneten auf ihren Pulten aufgestellt
hatten. (APA)