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Wien - Das Wirtschaftsforschunginstitut (Wifo) hat am Donnerstag zu der laufenden Diskussion um die Frage Stellung genommen, ob die Wirtschaftslage in Österreich mit dem Begriff "Rezession" zu umschreiben sei. Konjunkturexperte Markus Marterbauer verweist in einer Stellungnahme auf die unterschiedlichen Definitionsweisen des Begriffs und bezeichnet das bis vor einigen Jahren angewandte Rezessionskriterium "in der gegenwärtigen Konjunktursituation als wenig angemessen". Nach der aus den USA übernommenen Definition des Begriffes - wenigstens zwei aufeinanderfolgende Quartale mit rückläufiger Wirtschaftsleistung - sei in Österreich mit einer Rezession bis ins 1. Quartal 2002 zu rechnen, hatte Wifo-Chef Helmut Kramer am Beginn der Woche gemeint. Schüssel, Grasser: Keine Rezession Für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) und Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) befindet sich die Wirtschaft in einer "schwierigen Situation", nicht aber in einer Rezession. Die bis vor wenigen Jahren in Europa übliche Begriffsdefinition - das Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts in einem Gesamtjahr - sei deswegen nicht angemessen, weil nach der derzeitigen Einschätzung der verschärfte Konjunktureinbruch Mitte 2001 eingesetzt habe und voraussichtlich bis Mitte nächsten Jahres andauern werde, argumentiert Wifo-Experte Marterbauer: "Während das reale BIP in den beiden Jahren im Jahresdurchschnitt zunehmen wird, hält die Konjunkturkrise jedoch mehrere Quartale an." Diese Situation ähnle dem Konjunktureinbruch zu Anfang der Neunzigerjahre. Damals habe es nach europäischer Definition auch keine Rezession gegeben, es sei aber über mehrere Quartale zu einem "markanten Rückgang in der Kapazitätsauslastung" und zu einem "erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit" gekommen, argumentiert der Experte. Unnütze Begriffsstreiterei Wichtiger als die formale Definition sei allerdings, "welche direkten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Wachstumseinbruch mit sich bringt". Selbst wenn die Wirtschaftsleistung lediglich stagniere, habe dies erhebliche Auswirkungen auf Kapazitätsauslastung und Beschäftigung - und die "gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung ist von einer beträchtlichen Verschlechterung dieser Variablen geprägt": Die Sachgütererzeugung sei rückläufig, ähnliches gelte für die Bauwirtschaft. Das Wachstum der Beschäftigung sei fast zum Stillstand gekommen, die Zahl der Arbeitslosen sei um knapp 25.000 über dem Niveau des Vorjahres gelegen. "Alle Frühindikatoren deuten auf eine weitere Verschärfung dieser ungünstigen Entwicklung hin", warnt Marterbauer. Für die Wintermonate müsse mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um über 30.000 gegenüber dem Vorjahr gerechnet werden. Diese Konjunkturentwicklung verlange "nach der Aufmerksamkeit der Wirtschaftspolitik." (APA)