Wien - Einklang herrschte Mittwoch Nachmittag im Nationalrat zwischen den Abgeordneten aller vier Fraktionen über die anstehende Ratifikation des Vertrags von Nizza. Der Vertrag bildet die Basis der Erweiterung der Europäischen Union. Immer wieder mischte sich die Nizza- allerdings mit der Temelin-Debatte. Sowohl Regierung als auch die Oppositionsfraktionen werden diesen Tagesordnungspunkt nutzen, um Entschließungen zu Temelin einzubringen. Eine Vier-Parteien-Einigung konnte bis zuletzt nicht zustande gebracht werden. Strategie des Vetos gleiche der an die Stirn gehaltenen Pistole SPÖ-Klubobmann Alfred Gusenbauer bezeichnete die Ratifizierung von Nizza als "guten, richtigen Schritt". Damit werde es ermöglicht, die stabile europäische Zone nach Zentral- und Osteuropa auszuweiten. Es müsse der "historische Charakter" dieses Erweiterungsprozesses bewusst werden. Im Kontext dieses Erweiterungsprozesses gebe es aber auch praktische Probleme zu lösen. Eines davon sei das tschechische Atomkraftwerk Temelin. Österreich müsse sich - was die Lösung solcher Probleme betreffe - eine Frage stellen: entschließe man sich bei jedem Problem mit einem Nachbarn "Veto zu schreien" oder aber Verhandlungen zu führen. Einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen zu führen, wie dies auch im Zug der Beitrittsverhandlungen Österreichs geschehen sei, sei jedenfalls der vernünftigere Weg. Dass für Temelin die höchsten Sicherheitsstandards anzustreben seien, bestreite niemand. Die Frage sei nur, wie erreiche man das. Die Strategie des Vetos gleiche der an die Stirn gehaltenen Pistole. Das sei aber nicht der Geist der europäische Einigung. Atombombe vor die Haustüre Wolfgang Jung von den Freiheitlichen warf daraufhin Gusenbauer "billige Polemik" vor. Niemandem werde die Pistole an die Stirn gesetzt. Aber Österreich müsse sich dagegen wehren können, wenn Tschechien Österreich eine Atombombe vor die Haustüre setze. Der Vertrag von Nizza sei "ein wichtiges Thema". In dem Vertrag sei u.a. auch das Vetorecht festgeschrieben, gegen dessen Inanspruchnahme die SPÖ nun so Sturm laufe. Die Sozialdemokraten seien nur zu feige, die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn die SPÖ sich nämlich dafür ausspreche, das Energiekapitel im Zug der Beitrittsverhandlungen mit Tschechien nicht abzuschließen, "ist das dasselbe". Jung führte ein weiteres Beispiel für ein Thema an, wo sich Österreich zu wehren haben werde, und zwar den europaweiten Haftbefehl. Wenn ein Österreicher auf Grund einer Straftat in einen anderen Staat ausgeliefert werden könne, obwohl er nach österreichischem Recht gar nicht gegen das Gesetz verstoßen habe, würde damit dem Staat die Grundlage entzogen. "Warum soll man zu so etwas nicht nein sagen dürfen?", fragte Jung. Der ÖVP-Mandatar Michael Spindelegger betonte, dem Vertrag von Nizza lägen Tatsachen zu Grunde, "die für uns alle wichtig sind". "Wir werden die EU erweiterungsfähig machen." Das sei ein "europapolitischer Fortschritt". Österreich habe bei den Verhandlungen um diesen Vertrag noch einiges erreichen können, wie etwa die Stimmgewichtung, sodass die Kleinen nicht von den Großen überstimmt werden könnten. (APA)