Wien - Die Opposition kritisierte am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Nationalrats zum Thema "Hunderte Millionen Steuergelder für Reaktorforschung - die Doppelbödigkeit der Bundesregierung in der Atom-Politik" die Unglaubwürdigkeit der Atompolitik der Regierung. Während innenpolitisch gegen Temelin gekämpft werde, fließe auf EU-Ebene eine halbe Milliard Schilling in Atom-Forschungsprojekte im Rahmen des Euratom-Rahmenprogrammes, erklärten unisono die Grünen Abgeordneten Ewa Glawischnig und Gabriela Moser sowie die SPÖ-Mandatare Josef Cap und Ulli Sima. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) fegte die Kritik vom Tisch und merkte an, die beiden Themen - Temelin sowie die Mittel für EU-Projekte - hätten nichts miteinander zu tun. "Kein Schilling aus dem Forschungsprogramm geht nach Temelin", so der Kanzler. Zuvor hatte Glawischnig - das Thema der Aktuellen Stunde wurde von den Grünen gewählt - argumentiert: mit jener halben Milliarde Schilling, die in die EU-Projekte fließe, würde die Entwicklung neuer Nuklearanlagen gefördert. Die EU gebe dafür von 2002 bis 2006 17 Mrd. S aus. Und von Seiten Österreichs komme dagegen "kein ernstzunehmender Widerstand". Glawischnig sprach von einer "komplett unglaubwürdigen Linie". Es habe keinen Sinn, im Inland gegen Temelin zu mobilisieren, bei den wesentlichen Weichenstellungen dann aber "keinen Mucks zu machen". Im Gegenteil, mit den Stimmen der ÖVP-EU-Abgeordneten seien erst vergangene Woche die Mittel für Atomprojekte um 100 Mill. Euro aufgestockt worden. Ähnlich argumentierte Sima. Sie wollte zudem von der Regierung wissen, "wo ist das politische Gegenkonzept zu Euratom?" Cap warf der ÖVP-FPÖ-Koalition vor, wenig Aktivitäten zu setzen, damit der europaweite Ausstieg aus der Atomenergie endlich betrieben wird. Schüssel betonte, es stimme nicht, dass Österreich auf EU-Ebene kein Engagement zeige. Österreich habe etwa verlangt, dass im 6. Euratom-Rahmenprogramm, das am 10. Dezember für die Jahre 2002 bis 2006 beschlossen werden soll, "verschiedene Passagen entfernt werden". Weiters sei erreicht worden, dass die Förderung des Nuklearsektors nicht die Zielsetzung des Programmes sei. Durchgesetzt habe man sich auch mit der Position, dass die Entwicklung nuklearer Energieträger nicht verstärkt werde. Es dürfe kein Geld in den Bau neuer AKWs oder in die Entwicklung neuer Reaktorprojekte fließen. Noch nicht erreicht worden sei allerdings die Festschreibung der Entwicklung euroapweiter Sicherheitsstandards, räumte der Kanzler ein. Und er sagte auch, "die Frage des Euratom-Vertrages stellt sich natürlich". Schüssel schlug vor, den Euratom-Vertrag im EU-Vertrag aufgehen zu lassen und ein eigenes Energiekapitel zu schaffen. "Das wäre ein kluger Weg." Auch Verkehrsministerin Monika Forstinger (F) unterstrich vor dem Hohen Haus die Forderung nach Verbesserung der Sicherheit, es gelte beispielsweise Reaktoren mit Mitteln der Gemeinschaft rückzubauen. FPÖ-Klubchef Peter Westenthaler schoss sich in seiner Wortmeldung vor allem auf die SPÖ ein und prangerte einmal mehr das Atom-Engagement der Sozialdemokraten in den Siebziger Jahren an. Westenthaler führte dabei u.a. auch Aussagen des heutigen Nationalratspräsidenten Heinz Fischer (S) aus dem Jahr 1978 - dem Jahr der Volksabstimmung gegen das AKW Zwentendorf - an. Fischer ergriff daher im Rahmen der Debatte vom Vorsitz aus das Wort um klarzustellen, es sei richtig, dass er in den siebziger Jahren dafür eingetreten sei, Zwentendorf zu bauen und in Betrieb zu nehmen. Es sei aber auch er gewesen, der als damaliger Klubchef die Volksabstimmung beantragt habe. Und seit Tschernobyl lehne er Kernenergie "dezidiert" ab. Zwischenrufen von Seiten der Freiheitlichen, er habe kein Recht auf eine solche Wortmeldung, hielt Fischer entgegen: er dürfe als Präsident das Wort ergreifen, für ihn sei "die Wahrheit nichts Parteipolitisches". Auch Cap griff die Angriffe Westenthalers auf. Einmal mehr erklärte er, er habe 1985 im Nationalrat gegen ein neuerliches Überlegen über die Inbetriebnahme Zwentendorfs gestimmt - drei FPÖ-Mandatare seien damals aber dafür gewesen. Und schon 1978 habe es ein Plakat der Sozialdemokraten gegeben mit dem Slogan "für eine strahlungsfreie Zukunft unserer Kinder". "Das hat Sie betroffen, Sie waren damals elf Jahre alt", so Cap zu Westenthaler. (APA)