Wien/St.Pölten - Trotz des misslichen Umfelds, trotz der zum Alltag gewordenen Bombenanschläge, floriert der Tanz, speziell der zeitgenössische, in Israel. Plakative Stellungnahmen zur politischen Lage findet man selten; unterschwellig allerdings hat sich dann doch der Terrorwahnsinn in einigen Kreativköpfen eingenistet. Nicht offensichtlich. Kreative Kraft charakterisiert die bei der Wiener Veranstaltungsreihe Focus on Israel vertretenen Künstler.

Schon seit der Gründung des Staates vor nun mehr als 50 Jahren gehörte die jeweils gegenwartsbezogene Bewegungskunst zum kulturellen Muss. "Man schießt, und trotzdem ruht Terpsichore nicht", betitelte der Tanzspezialist Giora Manor seinen Vortrag. Er hat das maßgebliche Wirken der 1935 emigrierten Wiener Ausdruckstänzerin Gertrud Krauss und ihrer vielen "Nachkommen" stetig verfolgt. Eine von Krauss' Mitstreiterinnen war Wera Goldman, gebürtige Wienerin und seit 1938 in Tel Aviv lebend.

Sie, die seit drei Jahren wiederholt in ihre Geburtsstadt zurückkehrt, brachte im Jüdischen Museum "Die Bibel im Tanz" mit dem von ihr choreographierten, auf ethnischen Bewegungsmotiven beruhenden Solo Sara im Zelt, penibel interpretiert von Martina Haager, zur Uraufführung. Und der von Giora Manor angesprochene Nachwuchs war in der Szene Wien mit der Nora Dar Dance Compapny zu Gast. Ein junges Ensemble, das in Achilles Tendon fundierte Bewegungsbildung zeigte.

Die Batsheva Dance Company (Tel Aviv), seit 1998 Stammgast im Festspielhaus St. Pölten, kam mit dem monströs angelegten Sabotage Baby in der Choreographie ihres Leiters Ohad Naharin. Sein Hang zum artifiziellen Spektakel, zu Effekten und einnehmender Gestaltung ist bekannt. Längs der Bühnenbreite agieren die Lärmmaschinen der holländischen Formation Orkater. Vor dem schaurig-industriellen Design entfaltet Naharin sein fantastisches Bewegungsszenario.

Vorerst sind neun in lange Kittel gekleidete Frauen aktiv. Ergänzt durch neun Männer, tun sich verschlüsselte Welten auf. Regiert werden sie von Stelzengehern, die das Geschehen scheinbar dominieren. Ohne Erfolg. Zum Finale erwacht, beschreiten alle in humaner Eintracht einen Weg in den Frieden. (DER STANDARD, Printausgabe vom 19.11.2001)