"Unsere Beziehung ist stark genug, um Meinungsverschiedenheiten auszuhalten", beteuerte US-Präsident George W. Bush am Ende des dreitägigen Gipfelbesuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin in den USA. Trotz der Fortschritte, die zwischen ihnen erzielt wurden, gibt es noch Hürden für die neue russisch-amerikanische Freundschaft: Putin hätte Bushs Zusage, dass er zwei Drittel der US-Atomwaffen abbauen wird, gerne noch in schriftlicher Form. Ironischerweise war es der republikanische Präsident Ronald Reagan, der vor fast zwei Jahrzehnten der UdSSR ähnlich sein Misstrauen erklärt hatte: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

Auch konnten die beiden Staatschefs keinen gemeinsamen Nenner für das ABM-Abkommen finden, das von Bush noch immer als Relikt des Kalten Krieges bezeichnet wird, während Putin es als wesentliche Komponente für Russlands Sicherheit betrachtet. Die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice versicherte jedoch, der Disput über das Abkommen sei "ein geringeres Problem", als es noch vor wenigen Monaten war.

Indes löste Bushs Ankündigung, geheime Tribunals gegen nicht amerikanische Terroristen in den USA einsetzen zu wollen, ein Bombardement an Kritik von beiden Seiten des politischen Spektrums aus. Der demokratische Vorsitzende des Justizausschusses, Senator Patrick Leahy, meinte: "Es hat keine formelle Kriegserklärung gegeben. Außerdem könnten unsere Zivilgerichte Terroristen richten." Der Kolumnist William Safire schreibt, Bush wolle "die US-Gesetzgebung durch ,kangaroo courts' (Femegerichte) ersetzen". Die Washington Post erinnert in einem Editorial an den Aufschrei der amerikanischen Regierung, als vermeintliche Terroristen in den USA in Peru von mit Kapuzen bekleideten Richtern beurteilt wurden: "Ähnliche Gerichtsverfahren würden die Glaubwürdigkeit solcher Einsprüche ausradieren." Auch die New York Times spricht von einer "Travestie der Justiz" und warnt Bush vor dieser "gefährlichen Idee, die noch schlimmer wird, weil sie an der Oberfläche so attraktiv wirkt. Herr Bush unterminiert gerade jene Werte, die er zu schützen versucht." Verteidigungsminister Donald Rumsfeld entgegnete, dass er soeben historische Präzendenzfälle untersuchen lasse. Er gehe an dieses Problem in einer "sehr gemessenen und konservativen, vorsichtigen, besonnenen und vernünftigen Art" heran. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18. November 2001)