Es ist kalt. Das ist normal. Das Halbjahr der Daunenjacken, Wollstrumpfhosen und Winterstiefel hat begonnen, und wir ergeben uns gnädig. Während wir uns jedoch wie alle Jahre wieder der fortgeschrittenen Anwendung des Schichtsystems befleißigen - drei Lagen Minimum, Langarm und Rollkragen inklusive -, trägt das weibliche Personal von "Ally McBeal" zarte Seidentops, luftige Seidenblüschen und andere ärmellose Damenoberbekleidung. Dazu wirklich kurze Röcke sowie hauchdünne Strümpfe und filigranes Schuhwerk, das auch nicht unbedingt für Winterwetter (auch in Boston liegt Schnee!) angeraten scheint. Und es sieht zwar zugegebenermaßen sehr malerisch aus, wenn sich an den Fensterscheiben im Anwaltsbüro die Eisblumen bilden und davor ein ätherisches Wesen im Sommerkleidchen thront. Ein bisschen kalt wird einem dabei aber trotzdem. Man fragt sich also, ob es sich hier um eines jener Phänomene handelt, die uns schönsten Realismus vorgaukeln, in Wahrheit aber nur fürs TV(-Studio) erfunden wurden. Oder doch um ein Merkmal kultureller Differenz - im Zeichen der kultisch verehrten Klimaanlage, der Zentralheizung und anderer künstlicher Temperaturregler. Vielleicht auch um ein mitunter nahezu durchsichtiges Zugeständnis an die Wohltemperierung des männlichen Publikums. In jedem Fall genehmigen wir uns künftig zum Serienkonsum eine Kanne heißen Tee. Mit herzerwärmender Zugabe, versteht sich. (irr) - DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 15.11.2001