Österreichs Bürokraten suchen Anschluss an das 21. Jahrhundert und glauben, ihn gefunden zu haben: Bescheide und Urteile sollen künftig auch per E-Mail zugestellt werden, vorausgesetzt, Bürgerin und Bürger haben ihrerseits eine E-Mail-Anschrift bekannt gegeben. Dann flattert ihnen die nächste Strafverfügung der heimischen Organe (oder was immer die Behörde gerne amtlich mitteilen will) mit fröhlichem Klingelton in ihre Mailbox. Kein lästiger Weg während der Arbeitszeit auf das Postamt, wo derzeit Rückscheinbriefe hinterlegt werden, alles konsumentenfreundlich frei Haus. So weit das Versprechen, das mit der Änderung des Zustellgesetzes verbunden wird. Die Realität könnte eine andere sein: Wird die elektronische Benachrichtigung in einem Haufen Junk-Mails übersehen, vom Junior versehentlich gelöscht, von einer technischen Panne vernichtet, dann gilt ein Bescheid für die Behörde trotzdem als hinterlegt und somit nach zwei Wochen als zugestellt, wie dies auch bei ordnungsgemäß hinterlegten und nicht abgeholten "RS-a-Briefen" der Fall ist. Die Uhr für Einsprüche tickt vom Tage der elektronischen Deponierung an, und der Bürger muss allenfalls beweisen, dass er die E-Mail-Verständigung nicht erhalten hat, was praktisch unmöglich ist. Das nennt man umgangssprachlich: abputzen. Denn bisher muss die Behörde belegen, dass sie einen Bescheid zugestellt hat. Die Vereinfachung, die eine solche Regelung verspricht, ist bestenfalls eine für die Behörde, die sich damit wahrscheinlich manchen Einspruch wegen Fristversäumnis erspart. Da bleiben wir doch lieber beim umständlichen Weg aufs Postamt, der uns vor den unabsehbaren Folgen einer noch fehleranfälligen Technologie bewahrt. Vor der Bekanntgabe einer E-Mail-Anschrift bei Behörden muss darum einstweilen gewarnt werden. (DER STANDARD, Printausgabe 14.11.2001)