Wien - Die Chancen auf einen Vierparteienantrag zu Temelín sind am Dienstag wieder gesunken. Auf die Ankündigung von FP-Klubobmann Peter Westenthaler, die FPÖ werde "voll und ganz auf Vetolinie" bleiben, reagierten die Oppositionsparteien äußerst kühl: "Genau fünf Minuten" habe die gemeinsame Position FPÖ und ÖVP gehalten, meinte SP-Umweltsprecherin Ulli Sima. Ihre grüne Kollegin Eva Glawischnig sieht die Einigung, die am Montagabend möglich schien, durch Westenthalers Aussagen wieder "in weite Ferne gerückt". Der blaue Klubchef befinde sich "in Fundamentalopposition zu seinem Regierungspartner ÖVP", sagte Glawischnig. Für sie ist eine Einigung unvorstellbar, solange sich die Bundes-FPÖ nicht vom "Veto-Volksbegehren" distanziere. Westenthaler schließt Beitritt Tschechiens vehement aus Daran denkt Westenthaler allerdings nicht. Dass im Entschließungsantrag, den die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP am Montag vorgestellt hat, von Veto keine Rede ist, stört ihn auch nicht: "Es steht wortwörtlich drinnen, dass das Energiekapitel nicht abgeschlossen wird. Wir nennen das Veto. Mit diesem Atomkraftwerk wird Tschechien der EU nicht beitreten." Angesichts dieser Auslegung dürfte die angestrebte einheitliche Linie in der Temelín-Frage bestenfalls bleiben, was Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer nach dem Ministerrat mit "wünschenswert" bezeichnete. Dem Wunsch schloss sich auch Kanzler Wolfgang Schüssel an. Allerdings sind derzeit weder SPÖ noch Grüne bereit, ihn zur erfüllen - nicht nur auf Grund der Vetolinie der FPÖ. Auch sachlich sei der VP-FP-Antrag dürftig, kritisierte Sima: "Bestenfalls ein Minimalkonsens." Zeit zu verhandeln

Es sei höchste Zeit, direkte Verhandlungen zu beginnen. Dabei könnte auch der alte, mittlerweile fallen gelassene EU-Plan aufgegriffen werden, Temelín als verlorene Kostenstelle abzuschreiben und Tschechien dafür zu entschädigen. Für Dezember plane die Prager Regierung, den zweiten Reaktorblock in Temelín hochzufahren: "Dann herrscht Alarmstufe rot."

Für die Grünen fordert Glawischnig die Entwicklung eines Ausstiegsszenarios, die im schwarz-blauen Entwurf fehle. Überhaupt falle dieser hinter den Vierparteienantrag vom September 2000 zurück, bemängelte Glawischnig. Sie sieht den "Knackpunkt" in einer Formulierung, die es erlauben würde, das Energiekapitel mit Tschechien in den nächsten Wochen zu schließen: "Das kann es doch nicht sein." Auf Landesebene hat die niederösterreichische Landesregierung am Dienstag beschlossen, einen Beitrag von 2,24 Millionen Schilling (162.787 Euro) für eine von Aktivisten angestrengte Unterlassungs- und Feststellungsklage gegen Temelín zu leisten. Abseits der Politik warnte der Wiener Europarechtler Peter Fischer vor einem formellen Veto gegen Tschechien. Damit würde Österreich einen Rechtsbruch begehen: "Österreich hat in Göteborg mit beschlossen, dass der Erweiterungsprozess der EU irreversibel ist." (DER STANDARD Print-Ausgabe, 14.11.2001)