Wien - Paul Celans Beziehung zu Wien war kurz und glücklos. Der Surrealismus der Wiener Avantgarde, mit dem der Rumänien-Flüchtling hier zwischen Dezember 1947 und Juli 1948 in Kontakt kam, war international bereits überholt. Das einzige Buch, das von ihm erschien, strotzte vor Druckfehlern, sodass er es einstampfen ließ. Er beherrschte sieben Sprachen, aber was wog das schon im antiintellektuellen Österreich von damals? Der Mai führte ihn mit Ingeborg Bachmann zusammen, er schenkte ihr zum 21. Geburtstag alle Zigaretten, deren er habhaft wurde, es nützte nichts. Die Literaturausstellungen des Jüdischen Museums sind in wenigen Jahren zu einem wichtigen Bestandteil des Kulturlebens geworden. Auch was den Besuchserfolg betrifft. Das liegt - von Karl Kraus bis Karl Farkas - an der Wahl von Themen, die einerseits einen großen Bekanntheitsgrad haben, bei denen andererseits aber in wesentlichen Fragen noch ein ebenso großer Informationsbedarf besteht. Es liegt aber auch an der sensiblen Gestaltung der jeweiligen Ausstellungen. Bis 24. Februar 2002 wird jetzt im zweiten Stock des Hauses die von Peter Goßens und Marcus G. Patka kuratierte Dokumentation "Displaced" - Paul Celan in Wien 1947/48 gezeigt. 450 Objekte von 60 Leihgebern wurden vom bewährten Ausstellungsarchitekten Dimitris Manikas so raffiniert postiert, dass man das Labyrinth nachempfinden kann, in das der junge Paul Antschel-Celan sich im Nachkriegswien versetzt gefühlt haben mag. Jeder, dem er begegnete, konnte der Mörder seiner Eltern sein. Von den Plakatwänden herab aber rief der spätere Bundeskanzler Alfons Gorbach bereits zum Schlussstrich unter die Vergangenheit auf: "Die Nazi-Frage wird es so lange geben, solange es eine Nazi-Verfolgung gibt." Höchstens sechs Gedichte hat Celan in seinen sechs Wiener Monaten geschrieben. Darunter Zeilen, in denen man die Stadt auch topographisch deutlich erkennt: "Die / Augärten, damals, das / gelächelte Wort / vom Marchfeld, vom / Steppengras dort. / Das tote Ringelspiel, kling. / Wir / drehten uns weiter." In den letzten zwei Versen klingt wohl an, was Celan 22 Jahre später in den Freitod getrieben hat. Noch rettet sich der Heimatlose (= displaced) nach Paris. Der Bruch mit Österreich kommt zehn Jahre später: Eine antisemitische Attacke gegen Celan durch eine bedeutungslose Autorin wird vom österreichischen P.E.N.-Club mit deren Alkohol- und Drogensucht entschuldigt. Die Antisemitin bleibt P.E.N.-Mitglied. Paul Celan tritt aus. Sogar Freund Milo Dor tut sich nun mit dem Kontakt schwer. 1968 ist noch einmal eine Lesung geplant. Celan sagt sie letztlich ab. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 11. 2001)