Straßburg - Im Streit um das tschechische Atomkraftwerk Temelin hat Österreich überraschend Rückendeckung vom Europäischen Rechnungshof erhalten. In seinem am Dienstag in Straßburg veröffentlichten Jahresbericht 2000 hält der Rechungshof der EU-Kommission vor, bisher säumig bei den Bemühungen um eine höhere Reaktorsicherheit in den osteuropäischen Atomkraftwerken gewesen zu sein. Der Delegationsleiter der SPÖ-Abgeordneten im Europa-Parlament, Hannes Swoboda, ging noch einen Schritt weiter und forderte die EU-Behörde auf, so rasch wie möglich Sicherheitskriterien auszuarbeiten, an die künftige EU-Förderungen für östliche AKWs gebunden werden sollen. Im Bericht der obersten EU-Rechnungsprüfer wird nicht mit Kritik an der Vorgehensweise der EU-Kommission gespart: Obwohl das Ziel der EU nach wie vor sei, das Sicherheitsniveau der östlichen AKWs auf einen der EU "vergleichbaren Standard" anzuheben, sei eine Definition solcher europäischer Sicherheitsstandards Ende 2000 noch immer ausständig gewesen. Außerdem habe die EU-Kommission trotz Aufforderung von Rat und Parlament noch immer keine Bewertung der tatsächlichen Verbesserungen bei den östlichen AKWs vorgenommen. Die EU-Kommission hatte ihre Versäumnisse mit Personalmangel und der damit verbundenen Notwendigkeit begründet, die Zahl der laufenden Projekte zu verringern. Dies habe sie gezwungen, lediglich Ausrüstungsprojekte bis zu 10 Mill. Euro (137 Mill. S) zu finanzieren, wobei der Schwerpunkt auf Fortbildungsmaßnahmen für Reaktorpersonal gelegt werden solle und weniger auf die Lieferung von Ausrüstungsmaterial. Sowoboda warf der EU-Kommission einen "groben politischen Fehler" vor. Fehlende gemeinsame Sicherheitskriterien bedeuteten, dass die Beitrittsverhandlungen mit den Kandidatenländern ohne solche Kriterien weitergeführt werden müssten. Gemeinsame Kriterien wären auch für die innenpolitische österreichische Debatte "hilfreich" gewesen. Denn sie hätten als "Messlatte" für Temelin herangezogen werden können und damit den Streit zwischen Wien und Prag "objektiviert". Das Argument der EU-Kommission, den Beitrittswerbern könnten keine EU-Standards für AKWs aufgezwungen werden, die auch innerhalb der EU nicht existierten, will Swoboda nicht gelten lassen. Immerhin empfehle Brüssel die Schließung von drei östlichen AKWs des Tschernobyl-Tys in Rumänien, Litauen und der Slowakei. Damit lege sie indirekt Kriterien an. Förderungen an solche Sicherheitskriterien zu binden, wäre ein "erster Schritt." Die EU-Kommission hatte auf die Kritik des Rechnungshofes geantwortet, dass ihre Hilfsprogramme für Osteuropa und die GUS-Staaten, Phare und Tacis, zwar bezweckten, die "Sicherheitskultur" bei östlichen AKW-Betreibern und Genehmigungsbehörden zu verbessern, aber "nicht unbedingt" auf eine Anhebung der Normen auf westliches Niveau abzielten, da dies "nicht immer möglich" sei. Immerhin sei das Sicherheitsniveau einiger AKWs dank der EU-Hilfe in den sowjetischen Nachfolgestaaten und den Kandidatenländern verbessert worden. Österreich will bekanntlich dem Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien nur zustimmen, wenn die Temelin-Frage gelöst ist. (APA)