Wirtschaft
Ölpreis nach Tiefständen leicht erholt
Marktbeobachter befürchten Preiskrieg zwischen Russland und der OPEC
Wien/London - Auch nach der Ankündigung der
Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), die Förderung per
Jahresbeginn 2002 um 1,5 Mill. Barrel zu kürzen, befindet sich der
Ölpreis in freiem Fall. Ein Barrel OPEC-Öl kostete laut Angaben der
Nachrichtenagentur OPECNA am Donnerstag nur noch 16,19 Dollar (18,4
Euro/253,07 S). Gegenüber Mittwoch, dem Tag der OPEC-Konferenz in
Wien, ist der Preis damit um fast zwei Dollar gefallen. Der Ölpreis
des Kartells hat damit den Tiefsten Stand seit Juli 1999 erreicht. Am Freitagnachmittag notierte der Kurs für die Nordsee-Sorte Brent
bei 17,85 Dollar pro Fass (159 Liter), nachdem er am Vortag um rund
1,50 Dollar auf 17,33 Dollar.
Das Kartell peilt eine Preisspanne von 22 bis 28 Dollar je Barrel
(159 Liter) an. Die geplante Drosselung will die OPEC aber nur dann
in Kraft setzen, wenn die Öl-Länder außerhalb des Kartells ihre
Produktion um 500.000 Barrel einschränken. Vor allem Russland hatte
das abgelehnt.
Am Freitag hat sich der Ölpreis wieder leicht erholt, dabei aber
die Verluste dieser Woche von mehr als vier Dollar angesichts des
Konflikts der OPEC und Russlands um Marktanteile nicht annähernd
ausgeglichen. Am Freitag verteuerte sich ein Barrel (159 Liter) der
führenden Nordsee-Sorte Brent zur Lieferung im Dezember um knapp
einen halben Dollar auf 17,80 Dollar. Am Donnerstag war auch der
Brent-Preis erstmals seit fast zweieinhalb Jahren bis auf 16,80
Dollar gefallen.
Preiskrieg
Zum Teil befürchten Marktbeobachter nun einen Preiskrieg zwischen
Russland und der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC).
Mit Blick auf die gegenwärtige Marktlage hatte der kuwaitische
Ölminister Adel el Subaih gesagt, ein Rückgang des Ölpreises bis auf
10 Dollar pro Barrel würde ihn nicht überraschen. "Es werden harte
Zeiten in Form von niedrigen Preisen kommen." Analysten äußerten sich
skeptisch über den Erfolg der OPEC-Strategie, die unabhängigen
Exporteure unter Druck zu setzen.
In einer großen Kraftprobe hätten weder Russland noch die OPEC
Kompromissbereitschaft signalisiert, sagte Analyst Simon Games-Thomas
von NM Rothschild & Sons. Der saudiarabische Ölminister Ali el Naimi
hatte angekündigt, die OPEC werde ihre Fördermengen erst drosseln,
wenn unabhängige Exporteure vorher ihre Quoten reduzierten. Besonders
Russland müsse handeln. "Wir müssen allen Produzenten klar machen,
dass ihr Verhalten desaströs ist und uns allen Verluste bescheren
wird."
Die OPEC hat in diesem Jahr bereits drei Mal ihre Fördermengen um
insgesamt 3,5 Millionen bpd reduziert.
Russland hatte zuletzt angeboten, seine tägliche Fördermenge von
sieben Mill. bpd um symbolische 30.000 bpd zu kürzen. El Naimi hatte
den russischen Vorschlag am Mittwoch als "enttäuschend" bezeichnet.
Russland ist nach Saudiarabien weltweit der zweitgrößte Ölexporteur
und Deutschlands wichtigster Öllieferant. Russlands Ministerpräsident
Michail Kasjanow hatte am Donnerstag gesagt: "Wir werden nicht zu
irgendeinem Zeitpunkt die Fördermengen in großem Ausmaß zurückfahren.
Dies ist unmöglich."
Mexiko sicherte unterdessen zu, seine Ölexporte vom 1. Jänner an
um bis zu 100.000 bpd zu kürzen. Der norwegische Öl- und
Energieminister Einar Steensnaes sagte: "Falls es die Situation
erfordert, wird Norwegen natürlich seinen Anteil an der Verantwortung
für stabile Ölpreise übernehmen." Norwegen will in der nächsten Woche
entscheiden.
Händler sind etas ratlos
Für Händler ist der leichte Anstieg der internationalen Ölpreise
am Freitag "nur eine kleine Erholung nach dem Fall der letzten Tage".
"Niemand weiß, was zu tun ist. Man fragt sich, ob man bei diesem
niedrigen Niveau kaufen soll, ohne zu wissen, ob die
Nicht-OPEC-Produzenten ihre Förderung senken werden", sagte Händler
Jim Chilcott vom Londoner Broker GNI. Wenn dies nicht passiere, werde
auch die OPEC die Öl-Hähne nicht drosseln. "Dann laufen wir Gefahr,
dass der Kurs bis auf zwölf Dollar pro Barrel runtergeht." De facto
hänge nun alles von Russland ab.
(APA/dpa/Reuters)