Budapest - "Antisemitismus wurde zum Element des Wahlkampfes", beklagt Peter Tordai, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden in Ungarn, am Samstag in der Tageszeitung "Nepszabadsag". Tordai kritisiert zugleich die Regierung. Deren Mitglieder würden nicht entschlossen genug gegen rassistische Äußerungen auftreten. Das "Allgemeinbefinden des Judentums hat sich in den letzten Jahren verschlechtert", so der Vorsitzende. Obwohl die Gesetze "theoretisch jegliche Benachteiligung verbieten, haben Ungarn jüdischer Herkunft heute oft Grund zur Angst". Laut Tordai wird Antisemitismus immer mehr zu einem "gefährlichen politischen Faktor". Dies würde zum Einen mit dem "Raumgewinn" der rechtsextremistischen Wahrheits- und Lebenspartei (MIEP) und mit deren immer offener zu Tage tretenden antisemitischen Ideologie zusammenhängen, zum Anderen damit, dass die Regierung nicht bereit sei, entschlossen gegen Äußerungen von MIEP-Chef Istvan Csurka aufzutreten. Das Kabinett von Premier Viktor Orban würde aus "politischen und Wahlüberlegungen heraus schweigen", damit die diskriminierenden Ansichten der MIEP "gewollt oder ungewollt unterstützen". Tordai betonte, Ungarn sei die "gemeinsame Heimat der Juden und Nicht-Juden". Er sei stolz darauf, dass die Regierung besondere Ehre jenen im Ausland lebenden, jüdischen Ungarn zukommen lässt, die als Anerkennung ihrer Tätigkeit mit Nobelpreisen ausgezeichnet wurden. Tordai möchte jedoch zugleich, dass das Kabinett sein Interesse stärker als bisher auch auf weniger bekannte Mitglieder der ungarischen jüdischen Gemeinde ausdehnt. (APA)