Paris - Würdevoll und gut frisiert sitzt Monique Labbe hinter der Theke des "Cafe des deux Moulins". Seit dem weltweiten Erfolg des französischen Kinofilms "Die fabelhafte Welt der Amelie" ist ihr Ecklokal zur neuesten Attraktion des Pariser Montmartre geworden. Cineasten aus Frankreich, Deutschland und zahlreichen anderen Ländern pilgern in die Rue Lepic, um die Drehorte des modernen Großstadt-Märchens einmal mit eigenen Augen zu sehen. "Sie kommen von überall", erzählt Madame Labbe, während sie einer Kundin Wechselgeld herausgibt. Mit der kränklichen Zigarettenverkäuferin Georgette im Film allerdings hat die resolute Chefin außer der blonden Haarfarbe so gar nichts gemein. Etwas schüchtern und mit der Kamera vorm Bauch betreten die Filmfans die Brasserie. Erwartungsvoll schweift ihr Blick von der imposanten Bar zu den Bänken am Fenster und fällt schließlich am Ende des Raums auf ein riesiges Filmposter mit Amelie: "Ja, hier sind Sie richtig", scheint sie den Besuchern zuzuzwinkern, die sich fragen, ob sie tatsächlich "im Cafe von Amelie" gelandet sind. Im Tageslicht der Wirklichkeit hat der große Raum zunächst nicht allzu viel Ähnlichkeit mit dem Arbeitsplatz der Kellnerin Amelie. Doch schließlich fällt der Blick auf das markante, aus dem Film bekannte Milchglasfenster der Toilettentür. Spätestens dann sind die letzten Zweifel ausgeräumt. "Man kennt sich noch" Marie-Jeanne Dromby aus Paris hat ihre Freundin Lydie aus Lyon in das Cafe geführt. Bei Salat mit heißem Ziegenkäse und Bier schwärmen die beiden Frauen über den erfolgreichsten französischen Film des Jahres. In Frankreich ist er auf Platz eins mit fast acht Millionen Zuschauern, in Deutschland haben ihn schon mehr als zwei Millionen Menschen gesehen. "Der Film macht Lust, mehr auf die einfachen Dinge im Leben zu achten", sagt die 34-jährige Marie-Jeanne. Sie will sich "das Märchen" garantiert erneut ansehen. Der 20-jährige Christophe aus Südfrankreich war sage und schreibe schon sechs Mal in dem Erfolgsstreifen seines Lieblings-Regisseurs Jean-Pierre Jeunet. Er ist begeistert von der Atmosphäre rund um die Rue Lepic. "Es ist ein bisschen wie im Film", stellt der Kinofan zufrieden fest. Das bestätigt auch Michel Langlois, der seit 26 Jahren als Fleischer in der Rue Lepic arbeitet. "Der Film zeigt unser Leben", versichert er. "Hier kennt jeder jeden, hier grüßt man sich noch." Tatsächlich haben sich die Straßen rund um die Metrostation Abbesses einen kleinstädtischen Charme bewahrt. Anrainer erledigen an Käseständen und Fischgeschäften ihre Einkäufe, plaudern mit den Nachbarn auf der Straße und tauschen in aller Ruhe Neuigkeiten aus. Von der Großstadthektik ist im Viertel Lepic-Abbesses - nur wenige hundert Meter von Sacre-Coeur entfernt - nicht viel zu spüren. Hier schlendern die Filmfans durch die verwinkelten Gassen und erkunden die Schauplätze des Versteckspiels, das die gute Fee "Amelie" mit ihren Mitmenschen treibt. An die Fragen der Deutschen, Kanadier und Briten nach dem Weg zum Cafe und zur "Gemüsehandlung von Amelie" haben sich die Anwohner inzwischen gewöhnt. (APA)