Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit ihrer jüngsten Zinssenkung von 0,5 Prozentpunkten einen längst fälligen Schritt getan. Dennoch hinkt sie der US-Notenbank noch immer deutlich hinterher. In den USA fielen die Zinsen heuer bereits um 4,5 Prozentpunkte auf den tiefsten Stand seit der Präsidentschaft John F. Kennedys vor rund 40 Jahren, im Euroraum waren es bis jetzt nur 1,5 Prozentpunkte. Die zögerliche Haltung der europäischen Notenbanker ist nicht wirklich verständlich: Vor allem Inflationsängste führten sie immer wieder ins Treffen, wenn sie von Politikern zu Zinssenkungen aufgefordert wurden. Dass Preisauftrieb aber in Zeiten, in denen die Wirtschaft knapp an oder bereits in einer Rezession steht, nicht wirklich ein Problem darstellt, wissen die Notenbanker sicher. Gründe für die starre Haltung der EZB sind eher in der Geschichte der Institution zu finden: Besonders die Deutschen forderten als Bedingung für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung vor allem Preisstabilität, wie sie die D-Mark geboten hat. Und das dürften die Notenbanker als oberste Maxime festgeschrieben haben. Darüber hinaus gelten die Eurozinsen für alle Euroländer: also für Österreich genauso wie für Griechenland und Portugal. Wirtschaftsforscher haben bereits angemerkt, dass dies auch der "Preis" für den Euro ist: Deutschland und Österreich hätten bereits vor längerer Zeit eine Zinssenkung "vertragen", die südlichen Euromitglieder aber eher nicht. Dennoch ist der Schaden dadurch nicht groß: Die Leitzinsen haben durch alternative Finanzierungen nicht mehr ganz die Bedeutung, die sie einmal hatten. Wichtig ist allerdings der psychologische Effekt. Und Konsumenten, die durch billigere Kredite mehr Geld haben, sind für die Wirtschaft wertvoll. (DER STANDARD, Printausgabe 9.11.2001)