Graz - Die Annonce kam etwas zu früh. Finanzstadtrat Siegfried Nagl (VP) verkündete am Donnerstag im städtischen Gratisblatt "Der Grazer", dass er gemeinsam mit Bürgermeister Alfred Stingl (SP) ein Budget erstellt habe, "bei dem jeder mitkann". Nach ersten internen Beratungen der SP kam man dort allerdings zum Schluss, dass zumindest die Sozialdemokraten dem Nagl-Stingl-Budgetentwurf nicht zustimmen werden. SP-Chef Ferk: "Das sind Taschenspielertricks, ein Ausverkauf der Stadt." SP- Klubchef Karl Heinz Herper fügte in Richtung Stingl hinzu: "Der Bürgermeister muss sich entscheiden, wo er steht." 870 Millionen fehlen Die Stadt ist im Dilemma: Die Nulldefizit-Vorgabe des Bundes, zudem die Einnahmensverluste durch die Volkszählung, milliardenschwere Leasingprojekte und im Gegenzug teure Bauprojekte für das europäische Kulturjahr 2003 brachten die Stadt an den Rand eines finanziellen Desasters. Finanzstadtrat Siegfried Nagl ist nervös bemüht, an allen Ecken der Stadt nach Geld zu graben, damit das Budgetloch im Ausmaß von 870 Millionen Schilling (63,23 Mio. €) aufgefüllt wird. Aber auch nach intensiven Verhandlungen mit den anderen Parteien war bis Freitag keine Lösung in Sicht, weitere Gespräche wurden für nächste Woche fixiert. Niemand weiß exakt, wie es weitergehen soll, Spekulationen in allen Parteien um vorgezogene Neuwahlen werden von Tag zu Tag lauter. Nagl versuchte im Verein mit Bürgermeister Stingl jedenfalls, letzte mögliche Reserven und Budgettricks aufzubieten, um die Stadtfinanzen doch noch ins Lot zu bringen. Die 25-Prozent-Stadtanteile am Flughafen sollen demnach an die Stadtwerke AG verkauft werden, die diese über einen Kredit um 250 Millionen Schilling (18,17 Mio. €) erwerben sollen. Eine externe Bewertung spricht allerdings von einem realistischen Preis in der Höhe von lediglich rund 170 Millionen Schilling (12,35 Mio. €). Der Verkauf von städtischen Immobilien brächte weitere 130 Millionen. Der Rest an Rücklagen in der Höhe von 120 Millionen soll aufgebraucht und die städtischen Anteile am Müllentsorger AEVG verkauft werden. Weitere Millionen müssten schließlich in den Ressorts gespart werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2001)