Das Trio - es ist eine der Zauberbesetzungen des Jazz. Ein Solist und an seiner Seite die zwei unverzichtbaren Assistenten - Bass und Schlagzeug. Ab geht die Post. Das ergibt jene Urspannung, die einen Improvisator fordert, aber eigentlich ist das eine Story aus dem Mittelalter des Jazz, sie stimmt heute nicht mehr - die Trennung zwischen Begleiter und Solist ist ein historisches Phänomen. Schon seit Jahrzehnten ist es Brauch, auch im Trio (abseits des Mainstreams natürlich) von drei gleichwertigen "Gockeln" zu sprechen, die einen freien Gedankenaustausch pflegen. Keine Hauptstimme. Keine Nebenstimme. Eher sollte man sich ein Energiefeld aus drei sich reibenden Gedankenwelten vorstellen. Paul Motian, als Schlagwerker des impressionistisch versessenen Klavierpoeten Bill Evans selig, hat diesen Zuwachs an Freiheit für die Begleitinstrumente miterkämpft. Ein gelassener Herr mit Format. Im Bewusstsein seines auch kompositorischen Vermögens agiert er als ein über das Schlagzeuggeschehen hinaus denkender Universalgelehrter, der das Ganze der gerade aktuellen Musiksituation bedenkt. Der Mann, der auf Tournee nie ein eigenes Schlagzeug mitnimmt (Motian: "Das ist ist mir beim Reisen zu umständlich."), ist dann auch ein Mann des Einfachen, der immer nur das das Wesentliche tut. Also mitunter fast nichts. Auf Amaryllis (ECM; Vertrieb: Lotus) darf die Kunst seines Minimalismus studieren, die er mit Pianistin Marilyn Crispell und Bassist Gary Peacock pflegt. Schließlich ist die Einspielung insgesamt ein poetisches Gemälde dreier Klangmaler. Auch Motian ist ein solcher, seine percussive Arbeit schafft die Atmosphäre, der Schlagwerker gleichsam ein Pianist. Zusammen mit Peacocks brummiger Gelassenheit und Crispells ins Klassische kippender Klarheit ergibt das eine Musik von graziöser Verschlafenheit. derStandard/rondo/9/11/01