Gott Lug selbst hat das Licht nach Lyon gebracht. "Der Leuchtende", im keltischen Himmel Ressortleiter für Kunst und Krieg, erwählte den Hügel von Fourvière für sein Lugdunum. Strategisch günstig über dem Zusammenfluss von Rhône und Saône gelegen, entstand die spätere Hauptstadt der Seide, der Gastronomie und des Lichts.

Die Version der Römer liest sich etwas anders. 43 vor Christus soll Cäsar seinen Feldherrn Plancus geschickt haben, um für Veteranen der Gallischen Kriege einen Altensitz zu errichten. Gehuldigt wird auf dem "betenden Hügel" längst nicht mehr Lug und Cäsar, sondern der Heiligen Jungfrau Maria und der schönen Aussicht. Der Gottesmutter wurde 1872 die neobyzantinische Nôtre-Dame-de-la-Fourvière erbaut. Die Basilika gilt offiziell als Wahrzeichen Lyons, inoffiziell als "Umgestürzter Elefant", weil sie vier ziemlich dicke Türme in den Himmel ragen lässt.

Spannend wird es auf dem Marienhügel bei Nacht. Dann, wenn man sich, Bressehühner im Bauch und Beaujolais im Kopf, durch die verwinkelten Fressgässchen der Altstadt über steile Straßen, Treppen und unzählige Stufen hochgekämpft hat und zuschauen darf, wie aus dem Stadt- ein Bühnenbild wird.

Denn wenn sich die Dunkelheit über Frankreichs zweitgrößte Stadt zu legen droht, tritt der Lichtplan (plan lumière) der wohl wichtigsten kommunalen Einrichtung, des Amtes für die öffentliche Beleuchtung, in Kraft. Kommt die Nacht, werden beamtete Lichttechniker zu Lightdesignern. Sie lassen über 150 öffentliche Plätze, Gebäude und Privathäuser der neun Arrondissements im Glanze der EDF, der französischen Stromgesellschaft, erstrahlen.

Direkt und indirekt wird beleuchtet. Rund 9000 Lichtquellen finden sich an den Fassaden, im Boden, in der Bepflanzung. Steht man oben, bei der Heiligen Jungfrau, hat man die Basilika ganz in Blau im Rücken. Unten leuchten das Rathaus golden und die Opéra National ganz in Purpur. Keine Brücke, kein Brunnen bleibt ohne Lichtdesign. Der nächtliche Sternenhimmel - eine Funzel dagegen.

Vieux-Lyon, die 500 Hektar große Altstadt, wird ins Scheinwerferlicht gestellt. Wie es sich eben für ein Weltkulturerbe gehört. Die Großstadt Lyon (im gesamten Städteverbund wohnen 1,3 Millionen Menschen) will hell erleuchtet ihren Bewohnerinnen und Bewohnern Sicherheit vermitteln. Und was die Politik nicht schafft - die Einheit der neun verschiedenen Arrondissements -, soll dem Lichtdesign gelingen. Wenigstens optisch.

Besonders hell wird es in Lyon am 8. Dezember. Seit 1852 feiern die Katholiken wie ihre vorchristlichen Vorfahren am Marienfeiertag das Lichterfest. Zu Ehren der göttlichen Jungfrau stellen sie Tausende Kerzen und Lampions in die Fenster, treffen sich auf den Straßen zu Prozessionen und Festen.

Das Fest der tausend Lichter lockte im Lauf der Zeit immer mehr Gäste an. Seit drei Jahren ist das Volksfest zu "Le Festival Lyon Lumières" avanciert. Mit Hightech und zeitgenössischer Licht- und Tonkunst. Zu den Mariengläubigen gesellen sich rund 500.000 Lichthungrige und Kunstsinnige. Sie werden auf Lichterwegen zu Lichtinstallationen und Laserprojektionen internationaler Künstlerinnen und Künstler geführt. Glitzersterne, Fackeln, Lampions und Feuerwerke machen aus dem leuchtenden Gesamtkunstwerk ein Volksfest. Das die Einheimischen immer noch mögen - auch wenn die Touristen mitfeiern.