Geschlechterpolitik
Einzelheiten zum Weltbevölkerungsbericht 2001 Bevölkerung und Umwelt
Der diesjährige Weltbevölkerungsbericht untersucht die diffizilen
Verknüpfungen zwischen Bevölkerung und Umwelt. Neben Faktoren wie
Wohlstand, Verbrauch, Technologie und Bevölkerungswachstum haben aber
auch bisher kaum berücksichtigte gesellschaftliche Aspekte wie
Geschlechterrollen- und beziehungen oder politische Strukturen und
die Verteilung der Macht einen bedeutenden Einfluss. Frauen den
Zugang zu wirtschaftlicher und politischer Macht zu eröffnen, ist ein
wichtiger Schritt bei der Armutsbekämpfung. Obwohl Frauen z.B. in
Südostasien zu 90% für die Produktion von Nahrungsmittel
verantwortlich sind, bleibt ihnen der Zugang zu Produktionsmittel
verwehrt und auch landwirtschaftliche Fortbildungen bleiben ihnen
verschlossen.
Durch das auf der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und
Entwicklung 1994 in Kairo beschlossene ganzheitliche Konzept des
"Empowerment" sollen Frauen durch verbesserten Zugang zu Bildung,
Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten und durch mehr Aufklärung und
selbstbestimmte Kontrolle über den eigenen Körper an politischen und
gesellschaftlichen Entwicklungen teilnehmen, jene mitbestimmen und
damit ihre Lebenssituation verbessern können. Der in Kairo definierte
Ansatz verknüpft Sexualität, Reproduktion und Gesundheit mit den
allgemeinen Menschenrechten und hat sich, soweit er aufgrund der
vorhandenen Mittel umgesetzt werden konnte, für die Stärkung
sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte von Frauen als
erfolgreich erwiesen. Autonomie und Menschenwürde sind zentrale Werte
für die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen und Männern
und haben direkte Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden der
Menschen.
Die Umsetzung dieses Konzepts ist aber in Gefahr, da die
Industrieländer nicht die von ihnen versprochenen Beiträge leisten
und es dadurch zu Versorgungsengpässen bei den verschiedenen
Verhütungsmethoden kommt.
Umwelttrends
Die erneuerbaren natürlichen Süßwasservorkommen werden zu 54 Prozent
derzeit genützt und die Nutzung könnte bis 2025 auf 90 Prozent ansteigen.
1,1 Millionen Menschen haben heute keinen Zugang zu sauberen Wasser. 508
Millionen Menschen leben in Gebieten, wo pro Person weniger als 50 Liter
pro Tag zur Verfügung stehen. In Städten Chinas, Lateinamerikas und
Südasien fällt der Grundwasserspiegel pro Jahr um mehr als einen
Meter aufgrund von nicht nachhaltiger Wasserentnahme.
In 65 von 105 Entwicklungsländern hinkt die
Nahrungsmittelproduktion hinter dem Bedarf her. 815 Millionen Menschen
sind chronisch unterernährt und die Ernährung von zwei Milliarden Menschen
ist nicht gesichert. Da kaum noch zusätzliche Anbauflächen
erschlossen werden können, müssen die Ertragssteigerungen durch den
Einsatz zusätzlicher mit Nebenwirkungen einhergehenden Düngermittel
und kostspieligen Bewässerungsanlagen erwirtschaftet werden.
Die Emission von Kohlendioxyd hat seit 1900 um das Zwölffache
zugenommen (von 534 Mill. auf 6,69 Mrd. Tonnen). Zu Beginn des
21.Jhdts. werden sich auch die von den Entwicklungsländern
produzierten Treibhausgas-Emissionen dem Niveau derer der
Industrieländer annähern.
Die Abholzung der tropischen Wälder, die derzeit noch etwa 50% der
noch erhaltenen Tiere- und Pflanzenarten beheimaten, könnte in den
nächsten 25 Jahren - sofern unvermindert vorangetrieben - Ursache für
das Verschwinden von 60.000 Pflanzensorten sein. Der Verlust der
genetischen Vielfalt wildlebender Verwandten unserer Kulturpflanzen
würde die durch Einkreuzungen bewirkte stärkere Resistenz gegen
Schädlinge, Pflanzenkrankheiten aber auch Ertragssteigerungen nicht
mehr ermöglichen.
Entwicklung, Armut und Umweltfolgen
Trotzdem die Globalisierung das wirtschaftliche Wachstum
stimuliert hat, haben sich aber auch die globalen
Einkommensungleichheiten verschärft und 1,2 Milliarden Menschen fristen
ihr Dasein mit weniger als USD 1,- pro Tag. Durch den Kampf um
ausreichende Ernährung und den Gebrauch technologisch ineffizienter
Energiequellen bei den ärmeren Bevölkerungsschichten steigt der Druck
auf die sensiblen ökologischen Ressourcen.
Die steigende Urbanisierung (afrikanische Städte wachsen jährlich
um 4 Prozent) bewirkt, dass in den nächsten 30 Jahren die Stadtbevölkerung
von 1,9 auf 3,9 Milliarden Menschen zunehmen wird. Diese Menschen
erhoffen in Städten bessere Chancen am Arbeitsmarkt und Zugang zu
sozialen Dienstleistungen. Aufgrund der unzureichenden
infrastrukturellen Ausstattung wirken sich in diesen teilweise
informellen Agglomerationen Naturkatastrophen verheerend aus. Durch
den Zuzug in die Städte und durch deren Ausbreitung geht verfügbares
Ackerland verloren, der Ausstoß von Treibhausgasen und
Luftschadstoffen erhöht sich und der Gesundheitssektor kann mit dem
urbanen Wachstum nicht mithalten.
Im 20.Jahrhundert stieg der Verbrauch von Waren und
Dienstleistungen auf ein einmaliges Niveau, die entstandene
"Konsumlücke" - der Abgrund, der zwischen Arm und Reich klafft - ist
so breit wie nie zuvor. Die Produktion von Waren, die in den
Industrieländern konsumiert werden, verschlingt immense Mengen an
natürlichen Ressourcen, die zu einem erheblichen Teil in den
Entwicklungsländern gewonnen/erzeugt werden.
Laut der Weltbank waren 1998 25 Millionen Menschen aufgrund von
Umweltzerstörungen auf der Flucht. Damit überstieg die Zahl der
Umweltflüchtlinge erstmals die Zahl der Kriegsflüchtlinge. Diese
steigende Zahl haben signifikante ökonomische, soziokulturelle und
politische Konsequenzen. Gegenwärtig geben die Industrieländer USD 8
Milliarden jährlich für die Versorgung von Flüchtlingen aus (= ein Siebtel
der gesamten Mittel der Entwicklungshilfe.
Frauen und Umwelt
Die gesellschaftlich definierten Geschlechterrollen legen die
Verantwortung für das Management der essentiellen Haushaltsressourcen
in den Händen der Frauen aber verwehren ihnen den Erwerb bzw. die
Vererbung von Grund und Boden. Hand in Hand geht damit häufig die
Vorenthaltung anderer Grundrechte. Die Teilnahme an Maßnahmen zur
Förderung nachhaltiger Anbaumethoden und Landnutzung ist Frauen nicht
zugänglich, obwohl sie z.B. in Südostasien 90 Prozent der Arbeitskräfte im
Reisanbau stellen (weltweit sind 51 Prozent der Arbeitskräfte in der
Landwirtschaft Frauen) und Haushalte in den ärmsten Ländern zu einem
Viertel von ihnen geleitet werden. Frauen neigen eher dazu
nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben und die Qualität der Böden
insgesamt zu erhalten.
Gesundheit und Umwelt
Die Gesundheit und die Lebenserwartung hängen stark von den
Umweltbedingungen und deren Veränderungen ab. Somit beeinflussen sie
auch die reproduktive Gesundheit und die sozialen und
wirtschaftlichen Entwicklungsaussichten. Jährlich sterben 12 Millionen an
verschmutztem Trinkwasser, 90 Prozent der Malariainfektionen und 90 Prozent der
Durchfallserkrankungen könnten durch einfache ökologische
Interventionen vermieden werden. Die Migration und der Handel
zwischen ländlichen und städtischen Gebieten tragen ebenfalls zur
Ausbreitung von Krankheiten bei.
Die Luftverschmutzung fordert jährlich zwischen 2,7 und 3 Milliarden
Tote weltweit. In Europa leiden 10-20 Prozent der Kinder an
Atemswegerkrankungen, die ihre Ursache in der Emission von
Schwefeldioxide, Kohlenmonoxide, Ozon Blei etc. haben. Aufgelöst in
Niederschlägen als saurer Regen auftretend schädigen diese
Schadstoffe neben Gebäuden auch die biologische Produktivität von
Böden und Wasserläufen.
Endokrin wirksame Umweltchemikalien (wie Pthalate, PCB, Dioxine
und Pestizide) finden über die Nahrungsmittelkette ihren Weg in den
menschlichen Körper. Sie greifen in den Hormonhaushalt ein und können
Unfruchtbarkeit bei Frauen, Fehlgeburten, reduzierte Spermienzahl bei
Männern, Hoden- und Prostatakrebs, verfrühtes Einsetzen der Pubertät
bei Mädchen, Brust- Eierstock- und Gebärmutterkrebs bewirken.
Die wirksamsten Medikamente der modernen Medizin basieren aus
Stoffen, die aus Pflanzen und Tieren gewonnen wurden -von Lebewesen,
die vor allem in tropischen Regionen mit einer hohen Artenvielfalt
leben, die einem steigenden Druck durch den Menschen ausgesetzt sind.
Eine höhere Pflanzenvielfalt auf einem Feld kann die Erträge und die
Widerstandskraft gegenüber Schädlingen steigern - dieses Wissen, das
von traditionellen Kulturen lange genutzt, ist aber durch die Suche
nach kostengünstigeren Methoden der Nahrungsmittelproduktion in
Vergessenheit geraten.
Die Ursachen und Folgen von HIV/AIDS sind eng mit Armut,
Unterernährung, Gleichstellung der Geschlechter und unsichere
Einkommensverhältnisse verbunden. Die AIDS Pandemie entzieht der
Landwirtschaft geschulte Arbeitskräfte, konfrontiert Frauen mit
zusätzlichen Aufgaben wie der des Haushaltungsvorstandes und hat
massive Auswirkungen auf das kommunale Netz, das durch die Versorgung
der zurückbleibenden AIDS-Waisen und Alten schwer belastet wird.
Maßnahmen für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung
Die Internationale Gemeinschaft anerkennt, dass die
wirtschaftliche Entwicklung, der Zustand der Umwelt, die Gesundheit
von Männern, Frauen und Kindern und der Status der Frauen eng
miteinander verbunden sind. Der Status von Frauen entscheidet
erheblich über Entwicklungsfortschritte, wobei Zugang zu
reproduktiven Gesund-heitsdiensten zur Statusverbesserung signifikant
beitragen.
Der Finanzbedarf für Programme der reproduktiven Gesundheit wurde
von der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung
(1994) für das Jahr 2000 auf USD 17 Mrd. geschätzt. Der Beitrag der
internationalen Geberländer (USD 5,7 Mrd.) blieb unter den gemachten
Zusagen. Versorgungsengpässe mit Verhütungsmethoden sind eine Folge,
der unzureichenden Förderungsmittel.
Zusätzliche Investitionen sind notwendig um positive Synergien der
Bevölkerungs-, Umwelt- und Entwicklungs-trends zu erzielen:
Umsetzung des Aktionsplan der Internationalen Konferenz für
Bevölkerung und Entwicklung
Anreize für nachhaltige Produktionsprozesse
Bessere Informationen zur Umsetzung für nachhaltige
Bevölkerungs-, Entwicklungs- und Umweltschutz-strategien
Umsetzung der internationalen Vereinbarungen zur Bekämpfung
der Armut und Förderung der sozialen Entwicklung
(red)