Mit Treue zu Gott und Vaterland breiten die Bundesmuseen im Künstlerhaus die kolonialen Experimente Österreichs aus: "Die Entdeckung der Welt - Die Welt der Entdeckungen" geriet zu nichts anderem als einer Groteske. Wien - Robert Musils Mann ohne Eigenschaften hätte seine Freude gehabt. Die "Kraftäußerung des österreichischen Patriotismus" ist opulent ausgefallen, das Ereignis in der Tat "weltösterreichisch" und als "vaterländische Tat" auf das Energischste ausgeführt. Das Kunsthistorische Museum, das sich Anfang des Jahres jenes für Völkerkunde eingliedern konnte, hat die Kollegen von der Naturhistorischen und der Heeresgeschichtlichen Kulturgüterverwaltung zur "Parallelaktion" ins Wiener Künstlerhaus gerufen. In den letzten Jahren haben die Preußen Alexander von Humboldt gleich eine Fülle von Ausstellungen gewidmet. Wien macht es umgekehrt: Mehr als 1000 Exponate für ein Gros an Expeditionen in einer einzigen Schau. So ist Die Entdeckung der Welt - Die Welt der Entdeckungen. Österreichische Forscher, Sammler, Abenteurer eine ebenso umfangreiche wie gedankenarme Veranstaltung geworden. Nicht, dass nichts auszuloten gewesen wäre auf der Erdoberfläche. Das Franz-Joseph-Land und der Rudolfsee erzählen von Österreichs globaler Mission. Namen wie Julius Payer oder Ludwig von Höhnel klingen im Ohr, und auch Ida Pfeiffer, der Personalunion von Weiblichkeit und Weltenbummler, ist eine Abteilung gewidmet. Besonderen Charme verbreitet Ferdinand Bauer, der um 1800 die tropische Flora und Fauna per Zeichnung und Aquarell festhielt; Exotik und Exaktheit verbinden sich hier beispielhaft - allerdings unter englischem Kommando. Furcht und Schrecken Wo man nicht selbst tätig werden konnte, wurde man wenigstens aktiv, ersteigerte im Jahr 1806 genau 238 Objekte, die James Cook eingesammelt hatte, und verleibte die Stücke, darunter als Glanzlicht die Furcht und Schrecken verbreitende Büste eines hawaiianischen Kriegsgottes, dem Hofnaturalien-Kabinett ein. Aus diesem gingen im 19. Jahrhundert die einzelnen Museen hervor, deren Reiz nicht zuletzt darin besteht, dass man ihnen diese Abkunft nach wie vor ansieht. Jenseits aller gehorteten Schätze ist das Naturhistorische vor allem ein Museum der Museologie. Eine Schau allerdings sollte durchaus dem Heute verpflichtet sein, und es ist nichts anderes als eine Groteske, mit welcher Treue zu Gott und Vaterland man die kolonialen Experimente im Künstlerhaus ausbreitet. Im Mittelpunkt steht die genialische Persönlichkeit, um die herum die Exponate, als wären sie Attribute, ausgebreitet sind. Derlei kennt man weidlich von Fotos: In der Mitte der tropenbehelmte Konquistador, um ihn herum die Baströckchen. Österreichs Forscher als Kralsritter. Maximilian, der Operettenkaiser von Mexiko, ging lieber auf Schmetterlingsjagd, als sich vor den Rebellen in Sicherheit zu bringen, weiß die Ausstellung: Forschergeist habe über Vernunft gesiegt. Vielleicht war es aber einfach dünkelhafte Verkennung der Umstände, eine autoritäre Schnöseligkeit, typisch fürs Zeitalter des Imperialismus. Im Künstlerhaus wird die Geschichte weitererzählt - man nennt das dort "Anekdote". Der "menschenleere, von Indianern bewohnte Grenzraum", wie es einst unnachahmlich formuliert wurde, er harrt offenbar immer noch der Segnung mit Fortschritt. Österreich hat keinen Dumas, keinen Stevenson. Ob es zum Ausgleich aber wirklich einer solchen Ausstellung bedarf? Vielleicht sollte man es einfach mit Musil versuchen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 11. 2001)