Wien - Die Ungleichheiten im Bereich der Sozialhilfe - derzeit gibt es neun verschiedene Bundesländerregelungen - sollen beseitigt werden. Innerhalb eines Zeithorizonts von einem Jahr sollen Mindeststandards mit Regelungen nach Artike 15 a der Bundesverfassung zwischen Bund und Ländern definiert werden, meinte Sozialminister Herbert Haupt (F) am Dienstag bei einer Pressekonferenz nach einer Enquete in der Volksanwaltschaft. Volksanwalt Peter Kostelka (S) meinte, Beschwerden in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass hier wegen der veralteten Gesetzgebung Handlungsbedarf bestehe. Die "15a-Vereinbarung" müsse schleunigst in Angriff genommen werden, sagte Haupt. In seinem Ministerium sei dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Österreich liege mit dem derzeitigen System zwar im EU-Durchschnitt, dennoch gebe es einige Defizite. Besonders Frauen und Kinder seien von der geltenden Rechtslage benachteiligt. Haupt meinte aber auch, es sei Sache der Länder, Nivellierungen nach unten zu vermeiden. Das Sozialministerium werde jedenfalls nicht auf Kosten des Finanzministeriums die "Spendierhose" anziehen. "Handlungsbedarf" "Handlungsbedarf" bestehe auch bei der Vereinheitlichung von Aufenthalts- und Arbeitsrecht von legal in Österreich lebenden Ausländern. Es gebe viele, die sich hier legal aufhalten würden, die aber kein Arbeitsrecht hätten und deshalb "an den Sozialtöpfen hängen" würden. Im Sinne der Integration müssten hier auf Basis der Regierungsvereinbarung Maßnahmen gesetzt werden, meinte Haupt. Für Kostelka funktioniert die "Schnittstelle" zwischen der Sozialhilfe, die Ländersache ist, und den Bundesleistungen nicht ausreichend. Bei der heutigen Enquete seien sich alle Teilnehmer einig gewesen, dass die 15a-Regelung zwischen Bund und Ländern umgesetzt werden müsse. Nach dem Vorbild der Pflegevorsorge sollen die bisherigen neun Länderregelungen in ein System zusammengeführt werden. Die niederösterreichische Landesrätin Liese Prokop (V), die als Ländervertreterin anwesend war, zeigte sich optimistisch, dass man sich "sehr rasch" auf einheitliche Rahmenbedingungen wie die Definition der Anspruchsberechtigten oder der Zumutbarkeitsbestimmungen einigen werde. Einen Konsens bei der Höhe der Ansprüche zu finden, werde aber wahrscheinlich schwieriger werden. Für jene Länder mit hohen Standards dürfte es zu keinen Nivellierungen nach unten kommen, meinte Prokop. NGOs fordern Reformen ein Großen Handlungsbedarf bei der Regelung der Sozialhilfe sehen die Caritas und die Diakonie. Bei einer Enquete am Dienstag forderte der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau ein Bekenntnis zu Rechtsansprüchen und eine bundesgesetzliche Rahmenregelung. Das allein genüge aber noch nicht. Ebenso wie Diakonie-Direktor Michael Chalupka forderte er eine bessere Transparenz des Sozialhilfesystems, eine "Entstigmatisierung" und ein Abgehen von Regressforderungen. Für Landau bedarf es einer "Harmonisierung der Existenzsicherung", wobei es aber zu keiner Anpassung an die niedrigsten Länderrichtsätze kommen dürfe. Zur sozialen Absicherung gehöre auch die Einbindung aller Sozialhilfeempfänger in die Krankenversicherung. "Kontraproduktiv" ist für ihn der derzeit praktizierte Regress bei der Sozialhilfe. Dieser bringe viele Betroffene wieder in finanzielle Existenznöte. Er sprach sich auch für ein "One desk-Prinzip", also eine Anlaufstelle für alle Sozialleistungen, aus, um das "Ping Pong-Spiel zwischen den Institutionen und damit den bürokratischen Hürdenlauf" zu vermeiden. Armutsvermeidung Verstärkte Konzentration sollte auch der Armutsvermeidung gewidmet werden, meinte Landau. Österreich liege bei der Höhe des Arbeitslosengeldes international am unteren Ende. Rund die Hälfte der Arbeitslosengeldbezüge liege unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Kurzfristig spreche er sich deshalb für ein Mindestarbeitslosengeld bzw. eine Mindestnotstandshilfe aus. Längerfristig sollte man aber auch über eine Bedarfsorientierte Grundsicherung nachdenken. Für Chalupka muss sich eine Reform der Sozialhilfe an vier Grundprinzipien orientieren. Alle müssten Zugang zu den Ressourcen, Rechten, Gütern und Dienstleistungen einer Gesellschaft haben. Weiters solle die Armutsvermeidung Vorrang haben. Die Armutsbekämpfung solle die am stärksten Betroffenen unterstützen und diese sollten auch in die Reformen einbezogen werden. Als Beispiel führte Chalupka die Anonymisierung der Sozialhilfe an. Denn die bei den Gemeinden angesiedelten Ämter würden zum Stigma der Sozialhilfe beitragen. Er betonte auch, dass eine Verbesserung des Sozialhilfesystems nur über einen höheren Finanzierungsbedarf möglich sei. (APA)