Geschlechterpolitik
Gleichstellungspolitik nicht auf Sozialpolitik reduzieren
Barbara Prammer beklagt Missverständnisse in der Frauenpolitik
Wien - "Gleichstellungspolitik ist nicht nur
Sozialpolitik", unterstrich SPÖ-Frauensprecherin Barbara Prammer
Montag Abend in einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel
"Dialogforum Soziales Europa" im Karl Renner Institut.
Gleichstellungspolitik müsse einem demokratiepolitischen Anspruch
gerecht werden und könne nicht unter dem Schlagwort "Soziales"
abgehandelt werden, so Prammer. Auf EU-Ebene gehe man zwar in die
richtige Richtung, jedoch müsse in der Umsetzung auf nationalem
Terrain noch viel nachgeholt werden.
Ewige Lippenbekenntnisse
Frauen- und Gleichstellungspolitik müssen, so Prammer,
Mittelpunkt demokratiepolitischer und gesellschaftlicher Bemühungen
sein. Es sei nicht damit getan, auf EU-Ebene Resolutionen zu
verabschieden, wenn es anschließend bei Lippenbekenntnissen bleibe.
Lohndiskrepanzen
In Österreich sei man noch nicht in der Lage gewesen, das Prinzip
"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" umzusetzen, obwohl es in den
verschiedensten Verträgen der EU Spielraum dafür gebe. Jedoch sei
genau dieser Spielraum zu groß gefasst, einerseits angesichts des
Zeitraumes für die Umsetzung und andererseits angesichts des Umfanges
der Umsetzung. "Auf rechtliche Gleichstellung müssen immer Maßnahmen
folgen", und die würden fehlen, so Prammer.
Gerade unter der blau-schwarzen Regierung sei in diesem Punkt
kein Fortschritt zu erwarten, befürchtet Prammer. Denn die Regierung
verhindere auch eine Debatte über das von der SPÖ schon lange
geforderte Antidiskriminierungsgesetz, welches tatsächliche
Chancengleichheit gewährleisten könne. Vielmehr versuche man einen
Keil durch die Bevölkerung zu treiben, um Solidarität zwischen
benachteiligten Gruppen unmöglich zu machen.
Missverständnisse
Weitere Gefahren sieht Prammer in Zusammenhang mit
konservativer Familienpolitik. In konservativen Kreisen sei man eben
nicht der Meinung, dass "Gleichstellung Förderung beinhaltet" und
Prammer fürchtet selbst um das bestehende Gleichbehandlungsgesetz.
Auch die österreichische Bundesregierung gehe in die entgegengesetzte
Richtung. Statt flächendeckend Kinderbetreuungsplätze einzurichten,
hole man Frauen wieder zurück an den Herd und versuche somit
Sozialpolitik für das Budget eines Staates leistbar zu machen. In
Zeiten der Budgetkonsolidierung hätten folgerichtig vor allem Frauen
Einschnitte zu befürchten, betonte Prammer.
Arbeitszeitverkürzung
Angesichts neuer Herausforderungen müsse die EU gänzlich neue
Wege beschreiten. Eine zentrale Frage sei die Arbeitszeitverkürzung,
denn "auch die Wirtschaft muss feststellen, dass ArbeitnehmerInnen
Familien haben". Auch das Thema Teilzeitbeschäftigung gebe Anlass zur
Diskussion und würde nur allzu oft Raum für "Indirekte
Diskriminierung" von Frauen bieten.
Trotzdem müsse die Erhöhung der Erwerbsquote Ziel europäischer Politik bleiben, Frauen und andere benachteiligte Gruppen verstärkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren,
hätte noch immer die finanzielle Unabhängigkeit zum Resultat. (red)