Islamabad - Ein Jahrzehnt lang haben die verschiedenen US-Regierungen Pakistan für seine Bemühungen abgestraft, Atommacht zu werden. Als dem Land dies gelungen war, wurde auf die bestehenden Sanktionen noch eins draufgesetzt. Damit ist seit den Terroranschlägen vom 11. September und dem folgenden Antiterror-Feldzug der USA Schluss. Angewiesen auf die Mitarbeit Pakistans in seinem Krieg gegen die afghanischen Taliban und deren "Gast" Osama bin Laden beendete Washington die Strafmaßnahmen und sorgt sich jetzt nur noch um die Sicherheit des pakistanischen Atompotenzials. Wenn es einen Sieger der neuen Terroristenfurcht gibt, dann sind es die atomaren Ambitionen des islamischen Landes zwischen Hindukusch und Indusdelta. Nun wollen die USA mit dem neuen Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus kooperieren und sorgen sich nur noch darum, dass Atomwaffen und waffenfähiges Material Islamabads nicht in die falschen Hände geraten. Deshalb bot US-Außenminister Colin Powell dem pakistanischen Machthaber Pervez Musharraf auch bei seinem Besuch im vergangenen Monat an, die Pakistani für die Sicherheit ihrer Atomanlagen besser auszubilden und ihnen dafür jede mögliche amerikanische Unterstützung zuteil werden zu lassen. Weder Pakistan noch die USA haben bisher Einzelheiten dieser Hilfe offengelegt, aber das Programm beinhaltet nach Angaben des pakistanischen Wissenschaftlers Rifaat Hussein von der Quaid-i-Azam-Universität in Islamabad sowohl Ausbildung für die Verhinderung von Unfällen in Atomkraftwerken als auch für die Sicherung waffenfähigen Urans. Musharraf weiß, dass er jede Hilfe, die er zur Sicherung seines Atompotenzials braucht von uns auch bekommen kann, sagte Powell. Die Änderung der US-Politik bedeutet nicht, dass Washingtons Vorbehalte gegen die pakistanische Atompolitik aus der Welt geschafft sind. Die Amerikaner plagen dabei drei Hauptsorgen: Die Möglichkeit, dass Terroristen Zugriff auf das pakistanische Arsenal erhalten, eine Machtübernahme islamischer Fundamentalisten in Islamabad und ein Atomkrieg zwischen den Erzrivalen Pakistan und Indien, das nahezu zeitgleich ebenfalls zur Atommacht wurde. Die politische Lage in Pakistan ist turbulent und angesichts der langen Geschichte von Staatsstreichen des Militärs im Land am Indus ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass islamistisch orientierte Offiziere in den Streitkräften die Macht an sich reißen könnten. Doch Musharraf hat bereits reagiert und die Militärspitze von unsicheren und verdächtigen Offizieren gesäubert. So schätzt Hussain die Gefahr eines islamistischen Militärputsches als relativ gering ein. Größer scheint da schon die Gefahr, dass das vor dem 11. September von Pakistan unterstützte Taliban-Regime oder Terrorgruppen in Afghanistan wie das El-Kaida-Netzwerk Bin Ladens in den Besitz atomaren Materials gelangen könnten. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte kürzlich, dass Bin Laden bereits seit Jahren versuche, in den Besitz solchen Materials zu gelangen. Bleibt noch die Kriegsgefahr mit Indien. Beide Länder streiten sich praktisch seit Beginn ihrer Staatlichkeit vor 54 Jahren um den Besitz Kaschmirs und haben deswegen zwei Kriege geführt. Die mehrheitlich von Moslems bewohnte Bergregion am Himalaja ist seit einem halben Jahrhundert zwischen beiden Ländern geteilt. Im größeren indischen Teil kämpfen seit Jahren islamische Untergrundkämpfer für die Unabhängigkeit Kaschmirs oder seine Eingemeindung nach Pakistan. Diese Mudschahedin haben auch Verbindungen zu militanten Fundamentalisten in der gesamten islamischen Welt und sind scharfe Gegner des pakistanischen Engagements an der Seite der USA. Aber selbst der indische Verteidigungsminister George Fernandes, gewöhnlich ein scharfer Kritiker Pakistans, fand in der vergangenen Woche versöhnliche Töne gegenüber dem Erzrivalen: "Von der Politik einmal abgesehen muss ich den Pakistanern zugestehen, dass sie verantwortungsbewusste Leute sind und niemandem erlauben würden, sich mit ihren Atomwaffen davonzumachen."(APA/AP)