Die erste Meistermannschaft 1929.

Wir schreiben das Jahr 1998. Stolz setzte Eddy Wauters, Vorsitzender des Royal Antwerp Football Club, seine Unterschrift unter einen zukunftsweisenden Kooperationsvertrag seines Vereins mit Manchester United. Talente der Engländer werden nach Antwerpen transferiert um in der belgischen Liga Erfahrung zu sammeln, Nachwuchsspieler von Royal nehmen an Ausbildungscamps in England teil. Wenige Monate später ist Antwerpen zweitklassig und der älteste Fußballklub Belgiens muss zwei Saisonen in der B-Liga darben.

Ist da jemand?

Dieses Wechselbad der Gefühle ist typisch für den Verein. Langer Tradition und auch ein paar Erfolgen stehen Jahre des Niedergangs gegenüber. "The Great Old" hatte schon immer eine enge Affinität mit England. Immerhin waren es Briten aus den Handelsmissionen von Antwerpen, die ihre Sportarten mit nach Belgien brachten und 1880 den "Antwerp Football and Cricket Club" gründeten. Sie stellten auch die Mehrzahl der Spieler. Von geregeltem Spielbetrieb konnte allerdings anfänglich keine Rede sein – es gab schlicht und einfach im ganzen Land keine Gegner. Erst 15 Jahre später entstand der Vorläufer des heutigen Belgischen Fußballverbandes.

In seinen Jugendjahren hatte es der Klub schwer, eine endgültige Bleibe zu finden. Man begann auf dem militärischen Übungsgelände am Wilrijk Platz, später spielte man eine Zeit lang auf der Radrennbahn im Stadtteil Zurenborg. Nach weiteren Zigeunerjahren wurde schließlich beschlossen, ein großes neues Stadion zu bauen: De Bosuil. 1923 konnte zur feierlichen Eröffnung geschritten werden und vor 40.000 Zuschauern konnte Belgien im Einweihungsspiel den übermächtigen Engländern ein 2:2 abringen.

Damals hatte der FC seine erste große Krise schon lange hinter sich gelassen. In der Saison 1899/1900 war es in der Verwaltung des Klubs zu Streitereien gekommen, die schließlich im Auszug der Opposition unter Albet Grisar gipfelten. Der nahm auch gleich so gut wie die gesamte Antwerpener Mannschaft mit und gründete den Konkurrenzklub und künftigen Erzrivalen Beerschot. Der FC stand auf einen Schlag ohne Spieler da und war gezwungen, im folgenden Jahr den Meisterschaftsbetrieb auszusetzen. Nach dem ersten Weltkrieg hatte sich der Klub wieder halbwegs erfangen, musste jedoch hinnehmen, dass Beerschot inzwischen die dominante Kraft in der Stadt geworden war und 1922 die erste Meisterschaft an die Schelde holte. Ein harter Schlag für den alten FC.

Endlich ganz oben

Sieben Jahre später sollte dann aber auch seine Stunde schlagen. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Beerschot beendeten die beiden Teams die Meisterschaft punktegleich. Das darauffolgende Entscheidungsspiel konnte der FC durch Tore in den letzten fünf Minuten siegreich beenden – die erste Meisterschaft war im 49. Jahr des Bestehens endlich geschafft. Zu Beginn der 30er-Jahre, unter Führung des österreichischen Trainers Löwenfeld, erlebte der FC seine beste Zeit. 1931 gewann man den zweiten Titel, in den beiden Folgejahren wurde man jeweils Zweiter. Wäre in diese Periode nicht Union St. Gilloise zu seinem Höhenflug angetreten, wer weiß was noch alles möglich gewesen wäre. Die Brüsseler Truppe war eine frühe Größe des belgischen Fußballs (elffacher Meister) und blieb zwischen 1933 und 1935 unglaubliche sechzig Spiele hintereinander unbesiegt. Seitdem sprechen die Anhänger voller Ehrfurcht nur noch von Union '60.

Aber zurück zum FC. Nachdem mitten im Krieg 1944 die dritte Meisterschaft erspielt werden konnte, gab es nur noch 1957 die Gelegenheit zum Jubel. Da stand man zum bisher letzten Mal ganz oben. Die Klubführung wollte die Zeichen der Zeit nicht wahrhaben, erst Ende der 60er Jahre konnte man sich zur Einführung des Profitums durchringen. 1968 wurde man zum ersten Mal in die zweite Liga relegiert. 1969 übernahm Langzeitboss Wauters das Ruder und 1970 gelang der Wiederaufstieg.

König Alfred

In den 70er Jahre prägten auch zwei österreichische Spieler die Truppe des FC. Alfred Riedl spielte zwei Jahre im Bosuil, wurde 1975 belgischer Schützenkönig, versiebte aber ausgerechnet im Cupfinale desselben Jahres so viele Chancen, dass der Becher bei Anderlecht in Brüssel blieb. Gegen Ende des Jahrzehnts mauserte sich Karl Kodat zum Liebling der Antwerpener.

Auf internationalem Parkett tanzte Antwerpen in der Saison '89/'90 besonders ausgiebig. Im UEFA-Cup spielte man sich bis ins Viertelfinale, dort war dann gegen den 1. FC Köln Endstation. Ein umso bemerkenswerterer Erfolg, als die Mannschaft in Runde eins schon so gut wie ausgeschieden schien. Ein 1:3 vier Minuten vor Schluss im Heimspiel gegen Sofia ließ viele Zuschauer im Bosuil schon murrend den Heimweg antreten, da geschah das Mirakel: Nach einem Finish das sich gewaschen hatte, gewann der FC die Partie noch 4:3.

Der größte Erfolg begab sich jedoch einige Jahre später (1993) im Cup der Cupsieger. Man erreichte das Endspiel (1:3 gegen AC Parma) und durfte als erstes belgisches Team in Wembley auflaufen. Irgendwie hatte sich damit ein Kreis im Dasein des FC geschlossen. Danach fiel "The Great Old" in einen Dornröschenschlaf, der, abgesehen von sporadischem Aufschrecken, bis heute andauert. (Michael Robausch)