Diplomatie
Kanzler hat kein Verständnis für "Staatsoperette"
Ferrero-Waldner fordert Distanzierung Klestils und will "inhaltlich auch dabei sein"
Wien - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) hat kein
Verständnis für die Kontroverse um die Reisediplomatie zwischen
Regierungsmitgliedern und Bundespräsident Thomas Klestil, weil stets
mehr Engagement in der Nahostpolitik gefordert worden sei. Der
Bundespräsident solle die Diskussion "schnell beenden" und hinter der
Regierung stehen, forderte Vizekanzlerin FPÖ-Chefin Susanne
Riess-Passer. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) ist bereit,
den Bundespräsidenten auf Reisen zu begleiten, will aber dann auch
bei seinen Gesprächen dabei sein.
"Staatsoperette", so hat SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer die
Auseinandersetzungen um Auslandsreisen des Bundespräsidenten und
seiner Frau, der Gesandten Margot Klestil-Löffler, auf der einen und
Schüssel und Ferrero-Waldner auf der anderen Seite bezeichnet. In der
neuesten "profil"-Ausgabe sagt Schüssel: "Es gab doch in Österreich
immer wieder den Wunsch nach mehr Engagement in der Nahostpolitik -
in den Medien, aber auch im Parlament. Jetzt machen wir's - die
Außenministerin, die Trägerin der Außenpolitik und unsere Stimme im
Ausland - macht das meiner Meinung nach perfekt. Gefolgt von anderen
Ministern, auch von mir und natürlich auch vom Bundespräsidenten. Ich
verstehe nicht, warum das in die Nähe einer Staatsoperette gerückt
wird."
Riess-Passer appelliert an Klestil, die Diskussion schnell zu
beenden. Er sollte deutlich machen, dass Österreich im Ausland mit
einer Stimme spricht und hinter der Regierung stehen, so die
Vizekanzlerin im Radio-"Mittagsjournal" am Samstag.
Außenministerin Ferrero-Waldner weist - laut "profil"-Aussendung
vom Samstag - Vorwürfe zurück, wonach die Besuchsdiplomatie nicht mit
dem Bundespräsidenten abgestimmt sei. Ähnlich wie der Bundeskanzler
in der Fernseh-"Pressestunde" vom vergangenen Sonntag, verweist auch
sie auf die Funktion von Margot Klestil-Löfler als Beamtin des
Außenministeriums, diese habe "alle Informationen". Der
Bundespräsident erhalte Informationen ihres Ministeriums aber auch
"durch die verschiedenen Referenten", so die Außenministerin.
Ferrero-Waldner fordert Klestil auf, sich von jenem "Geheimpapier"
zu distanzieren, in dem Kritik an angeblich mangelnder Koordination
der Reisen geübt wird. "Es wäre schön, wenn er dazu etwas sagen
könnte." Sie hoffe, dass sich der Bundespräsident "mit diesem Papier
nicht identifizieren kann" und dass das Papier "hoffentlich nicht von
ihm" sei. "Wir sollten diese Streitereien wirklich beilegen", betont
Ferrero-Waldner. Die Koordination ihrer Reisetätigkeit sei jedoch
schwierig: "Jeder, Außenministerin, Bundeskanzler und Bundespräsident
reisen jeweils auf ihrem Niveau. Man kann sich nicht immer abstimmen,
wer wann wohin fährt."
Sie sei auch jederzeit bereit, den Bundespräsidenten häufiger bei
seinen Staatsbesuchen zu begleiten, so die Außenministerin. Dies
allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie "inhaltlich auch mit
dabei sein" und an den Unterredungen des Bundespräsidenten mit dessen
Gesprächspartnern teilnehmen könne. "Fünf bis zehn Minuten unter vier
Augen ist kein Problem. Aber ein ganzes Gespräch zu führen und die
Außenministerin beiseite zu lassen, ist sicher nicht sinnvoll", wird
Ferrero zitiert.
Alois Mock äußert - ebenfalls im "profil" - vorsichtige Kritik an
Klestil: "Wenn es um die Außenvertretung geht, hat der
Bundespräsident eine repräsentative Aufgabe. Er muss und soll sich
keinen Wettlauf mit Regierungsmitgliedern um Reisetermine liefern."
Das "Geheimpapier" hält er für eine Fälschung.(APA)