Der Architekt Franz Kneissl hat einen Architektur-Roman geschrieben. Er ist soeben im Sonderzahl Verlag erschienen und heißt Eine Ratte namens Apfel . Architekten schreiben gerne - und oft Pamphletisches wie Manifeste und dergleichen. Romane sind allerdings selten dabei, Max Frisch bleibt die schriftstellernde Architektenausnahme. Auch Franz Kneissl hat mit seiner Ratte eigentlich keinen Roman, sondern eher ein verschlüsseltes Pamphlet zur heimischen Architekturszenerie geschrieben. Er verstrickt in seinem Buch diverse schwierige Projektgenesen, und der Text bleibt letztlich der Versuch, diesen für Außenstehende so schwer begreiflichen Moloch anschaulich zu machen, gegen den jeder und jede wackere ArchitektIn zu kämpfen hat: Besagtes Monster nährt sich von der Reibungswärme, die durch die übliche Zermerscherungen von Projekten zwischen Bürokratien, Beziehungsgeflechten, Wettbewerben, kommerziellen Zwängen und oft entbehrlichen Politikergebärden entsteht. Wie ungeheuer kompliziert und schwierig ist es doch, eine gute, schöne Architektur tatsächlich lebendig auf die Welt zu bringen. Unverständlich bleibt die Vorsichtsmaßnahme des Verlages, vor Textbeginn darauf hinzuweisen, dass der Roman Fiktion und sämtliche Begebenheiten frei erfunden seien. Die Begebenheiten sind natürlich genau so wenig frei erfunden wie Ähnlichkeiten beschriebener Charaktere mit lebenden Personen zufällig sind. Eines der Probleme der heimischen Architekten besteht darin, dass sie die morschen Stützmauern des Systems, unter dessen Dache sie leben, nicht abreißen können, ohne selbst die Decke auf den Schädel zu bekommen. Kneissls Beschreibung des Molochs ist ein ehrenwerter Versuch, dem hoffentlich weitere folgen werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4. 11. 2001)