Dieselben Funktionäre, die seinerzeit den Beginn der Amtszeit dieses Mannes herbeigesehnt haben, fragen sich nun selbstkritisch: Was machen wir bei der Aufstellung von Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten falsch? Erst nominierten wir Leute, die nicht an den Wähler zu bringen waren, dann einen, den man nicht mehr zur Wiederwahl präsentieren konnte, und schließlich diesen, der, kaum wiedergewählt, die Hand zu beißen begann, die ihn in die Hofburg getragen hat. Das hätte es unter einem Bundespräsidenten Rudolf Streicher vermutlich doch nicht gegeben, stöhnen sie heute unter den Folgen ihres parteischädigenden Personalmanagements. Vieles andere möglicherweise auch nicht.
Aber das kommt davon, wenn man leichtsinnig ausgestreute Wahlslogans für leichtsinnig ausgewählte Kandidaten nicht auf möglicherweise unerwünschte Folgen abklopft. "Macht braucht Kontrolle" wurde damals erfunden, und was man damit sagen wollte, war: Ein harsch agierender Bundespräsident werde den roten Kanzler schon an die Kandare nehmen. Nicht ausgemacht war: Der Bundespräsident könnte das ansatzweise auch bei der Regierungsbildung eines schwarzen Kanzlers versuchen (ein solcher ist in Zeiten, als der Wählerwille noch etwas galt, freilich nicht abzusehen gewesen). Und hat er nicht auch versprochen: kein Zwischenrufer in der Tagespolitik?
Niemand in der Partei habe bedacht, ein ÖVP-Kandidat könnte auch zu dem stehen, was ihm die Strategen in der Hitze des Wahlgefechtes so andichteten, sagen die innerparteilichen Kritiker heute. Als Mann der internationalen Erfahrung wurde er aufgebaut - obwohl man eben einen Mann mit internationaler Erfahrung abgebaut hatte. Und prompt will er diese Erfahrung gegen den Bundeskanzler ausspielen!
Als keiner Partei verpflichtet wurde er angepriesen - und keiner hat ihn aufgeklärt, das sei nur für den Wahlkampf gedacht. Charakterlich und moralisch der Beste für das höchste Amt, so hat es damals geheißen. Und heute? Er wird den moralischen Ansprüchen an Amt und Funktion nicht gerecht.