One step forward, five steps back
One cool record in the year of rock-rap
Le Tigre, FYR (Fifty Years of ridicule) Pointierte Shout-Outs sind ja schon immer Le Tigre´s Sache gewesen. Auf „Feminist Sweepstakes“, dem neuen Album, haben sie sich diesbezüglich jedoch selbst übertroffen. "For the ladies and fags" Le Tigre ist DIE feministische Popband für das neue Jahrzehnt, vielleicht auch deshalb, weil es sonst nicht so viele von ihnen gibt. Trotzdem scheint es für die drei in New York lebenden Musikerinnen das Normalste auf der Welt zu sein, derart explizit und nachdrücklich ihre Erfahrungen und feministischen Forderungen in zuckersüßen Popmelodien auf die Welt loszulassen. Die starke Bindung an eine benennbare ZuhörerInnenschar, die nach eigenen Angaben vor allem aus ladies and fags besteht, macht dies leichter. Sie gilt es zu unterstützen und aufzurütteln. Der Rest kann ja, wenn er brav ist, zuhören. Und wehe dem, der die stolz auf der CD ruhende Tigertatze reizt. Die Geschichte einer feministischen Electro Punk Band: Mit ihrem ersten Long-Player „Le Tigre“ von 1999 schafften Kathleen Hanna, Joanna Fateman und Sadie Benning es, einen Paradigmenwechsel in der Tradition der feministischen Agitation im weiten Feld der Popmusik einzuleiten: Dabei knüpften sie inhaltlich an die totgesagte amerikanische Riot Grrl-Szene an, zu der Kathleen Hanna als Frontfrau von Bikini Kill ja wesentlich beigetragen hatte, und fügten den formalen Mitteln größere Bedeutung sowie Sampler und Drumcomputer hinzu. Notwendig erschien Kathleen Hanna diese Veränderung deshalb, weil elektronische Musik ihrer Ansicht nach neue Modelle erschließt und so auch neue Identifikationsmöglichkeiten für FeministInnen bietet. Für die RiotGrrls war Punk Rock über eine Phase hinweg ein probates Mittel, um ihre aufgestaute Wut auf die Welt loszulassen. Doch Kathleen Hanna hatte keine Lust auf feministische Genreloyalität. Stilmix galore Le Tigre verstehen sich selbst als Experimentalkünstlerinnen, die mit den verschiedensten Musikstilen arbeiten, ohne sich an das Diktat etwaiger Kategorisierungen zu halten. Da kommt es schon vor, dass kreischende Rockgitarren eine aus der groovigen Gelassenheit eines sample-loops reißen. Schwierige Sache: Manchmal funktioniert´s, dann auch wieder nicht. Für ihre zweite Veröffentlichung, der EP „From the desk of Mr. Lady”, kam SD Samson als neues Bandmitglied hinzu, um Sadie Benning, die lieber weiter an ihrer Video-Karriere arbeitet, zu ersetzen. Nach wie vor agiert die Gruppe als Kollektiv, das auf Arbeitsteilung größtenteils verzichtet. Auf der textlichen Ebene ist das verbindende Element die politische Aussage: Ob auf Tour, in den Straßen von New York oder zuhause sitzend bei schlechter Stimmung: Feminism will save the world! Die Texte lesen sich wie kleine Pamphlete, in denen jedes Leid, jede Freude, jeder persönliche Sieg vor den Hintergrund einer (der) sexistischen Realität gelesen wird. Erstaunlich eigentlich, dass Le Tigre mit ihrer Sichtweise als Exotinnen in der Popwelt wahrgenommen werden: Ihre Realität ähnelt doch der vieler Menschen.(freu)