28. April 1923: Rund 200.000 Menschen drängen sich im nagelneuen Londoner Wembley-Stadion um das englische FA Cup-Finale zu sehen. So genau kann das niemand sagen, denn neben den 126.000 regulär eingelassenen Zuschauern, hat sich eine große Zahl an Fans durch die Barrieren gedrängt. Die Ordnungskräfte haben die Kontrolle verloren.

Wie durch ein Wunder kommt es im überfüllten Stadion zu keiner Katastrophe, bloß das Spielfeld wird von der Menge überflutet. Die Polizei reagiert mit Ruhe und Gelassenheit. Plötzlich taucht ein Beamter auf einem märchenhaften weißen Pferd auf, das Tausende zu bezaubern und so unter Kontrolle zu halten scheint. Ein Mythos war geboren: das "White Horse Final".

Cup comes first

Mit 40minütiger Verspätung wurde das Spiel dann doch noch angepfiffen. Die Bolton Wanderers besiegten West Ham 2:0 und das Team aus Lancashire krönte sich so zum ersten FA Cup-Sieger auf dem nunmehr heilig genannten Rasen. Die Wanderers, Mitglied im erlauchten Kreis der zwölf Gründer der Football League, konnten damals schon auf eine rund 40jährige Existenz (Gründungsjahr 1877) und zwei Finalteilnahmen (1894, 1904) zurückblicken. Allerdings musste man im Cup auch die schlimmste Niederlage der Vereinsgeschichte hinnehmen: 1897 wurde Bolton von den Nachbarn aus Preston auseinandergenommen: 1:9. Letztlich aber war das Leben der Wanderers in diesem Bewerb doch viel erfolgsträchtiger als etwa in der Meisterschaft. Wurden hier 1926, 1929, 1958 (Sieg gegen Manchester United) noch weitere Titel eingeheimst, reichte es dort in der ersten Liga bestenfalls zu Platz drei (1892, 1921, 1925).

Der Löwe

Heute ist Bolton einer der traditionsreichsten Vereine in England, bis 1964 spielte man fast ununterbrochen in der ersten Liga. Mit Nat Lofthouse hatten die Wanderers einen der berühmtesten Spieler aller Zeiten in ihrem Team. Nat war der Prototyp des klassischen englischen Mittelstürmers: unerschrocken, agressiv, hart und immer mit hundertprozentigem Einsatz bei der Sache, standen am Ende seiner 15jährigen Karriere bei Bolton 285 Tore. In 33 Länderspielen traf Lofthouse unfassbare 30 mal. Auch das starke österreichische Team der frühen 50er Jahre kam nicht ungeschoren davon: 1952 unterlag man als Favorit den Engländern in Wien 2:3. Nach zwei Toren, darunter das entscheidende dritte, nannte man Nat nur noch den "Löwen von Wien". Im selben Jahr lehnte der ehemalige Bergmann ein lukratives Angebot von Fiorentina ab. Er blieb lieber im heimatlichen Bolton. Nach seiner aktiven Karriere blieb er dem Klub in den unterschiedlichsten Positionen verbunden. Kaum jemand wird der Behauptung widersprechen: Nat Lofthouse IST Bolton.

Der wohl traurigste Tag in der Geschichte der Wanderers war der neunte März 1946. Vor dem Spiel im heimischen Burnden Park gegen Stoke City kam es auf den Rängen zu einem tragischen Unglück: aus ungeklärten Gründen geriet die Menge in Bewegung, zwei Wellenbrecher gaben nach und viele Zuschauer stürzten auf vor ihnen stehende Menschen. 33 Fans kamen ums Leben.

Die Jojos

1971 fand man sich erstmals in der dritten Liga wieder, es ging aber noch tiefer: 1987 wartete die Viertklassigkeit. Aber damit fand sich Bolton nicht ab und rechtzeitig zum hundertjährigen Jubiläum des ehrwürdigen Burnden Park konnten 1995 dort wieder die besten Teams des Landes empfangen werden. In den Neunzigern pendelte man sodann zwischen Premier und First Division, auch in der heurigen (=2000/01) Saison ist man in einen heißen Kampf um den Aufstieg involviert. Halten wir also den guten alten Wanderers die Daumen – auf dass die Reise wieder nach oben gehe! (Michael Robausch)