Es ist vollbracht, nun ist die Ära Mortier/Landesmann zu Ende. Gerard Mortier geht
nach Deutschland, um seine "Ruhr-Triennale" zu entwickeln. Hans Landesmann zieht
es nach Wien, wo er bei den "Wiener Festwochen" für den Musikbereich zuständig
sein wird. Im Windschatten von Gerard Mortier konnte Hans Landesmann als
Kaufmännischer
Direktor und Konzertchef der Salzburger Festspiele eine substanzvoll-vielseitige
Musikdramaturgie abseits der Oper entwickeln. Im Finanziellen musste er die ersten
Jahre seinen Partner bremsen, erfuhren
Thomas Trenkler
und
Ljubisa
Tosic
.
Standard:
In all den Diskussionen der letzten Jahre ist es immer nur um
Mortier gegangen. Hat Sie das gestört?
Landesmann:
Viele Leute meinen, ich sei medial zu sehr im Schatten von
Mortier gestanden, was auch stimmte, er ist ja medial viel interessanter. Aber das war
kein Schatten, das war ein Windschatten. Er hat die ganzen Aggressionen auf sich
gezogen, und ich hatte nie Probleme, weder mit den Künstlern noch mit der
Presse. Ich konnte meine Sachen genauso radikal oder noch radikaler planen, auch in
Richtung neuer Musik, weil Mortier alles wunderbar abgedeckt hat. Ich bin dafür
eigentlich dankbar. Obwohl: Natürlich war ich schon ein wenig verletzt, wenn
auch die Konzertprogramme ihm zugeordnet wurden. Aber man kann nicht auf der
einen Seite geschützt arbeiten wollen - und dann bejubelt werden für die
großartigen Programme.
S
TANDARD:
Sie waren ja der, der Mortier gefunden hat.
Landesmann:
Ja, ich war in der Findungskommission. Alexander Pereira
behauptet zwar, ich hätte ihn verhindert. Aber das stimmt nicht. Ich hielt Mortier
für den Besseren.
S
TANDARD:
Und wie kam es, dass Mortier Sie als
Konzert-und Finanzchef gefunden hat? Manche behaupten, eine Hand hätte die
andere gewaschen.
Landesmann:
Ich schwöre, es gab keine Junktimierung! Ich war ja
schon seit Jänner 1989 Direktoriumsmitglied. Und ich war daher von Salzburger
Seite her ein Wunschkandidat für den kaufmännischen Direktor. Ein
Koppelgeschäft ist nicht meine Art.
S
TANDARD:
Peter Ruzicka meinte im
S
TANDARD-
Interview, es sei von Vorteil, wenn Oper und
Konzert in einer Hand sind. Bei Ihnen und Mortier war die Programmatik aufgeteilt.
Landesmann:
Wir haben alles gemeinsam geplant. Und ich habe auf
Mortiers Opernplanung Rücksicht genommen. 1992 gab es erstmals eine
Janácek-Oper, und im Konzertbereich gab es eine Serie Janácek.
Dasselbe mit Messiaen: Als Ergänzung zu Messiaens Oper gab es dazu einen
ganzen Zyklus. Aber in einem Punkt hat Ruzicka Recht: bei der Disposition der
Säle. Es ist einfacher, wenn das in einer Hand ist. Ich hätte zum Beispiel
den großen Saal für ein Konzert gebraucht, aber Mortier hat da schon eine
Oper hineingelegt, und so.
S
TANDARD:
Haben Sie sich um das Geld gestritten?
Landesmann:
Nein, die Abmachung war: Das Konzert musste das
einspielen, was wir in die Oper investieren. Das waren jährlich zwischen zehn
und 14 Millionen Schilling. Die Subventionen dienten ja nur dazu, den laufenden
Betrieb mitzufinanzieren.
S
TANDARD:
Es heißt immer wieder, Mortier könne
nicht mit dem Geld umgehen. Mussten Sie da durchgreifen?
Landesmann:
Die ersten fünf Jahre musste ich durchgreifen, dann
nicht mehr: Mortier wollte aus Salzburg nicht, wie in Brüssel, mit Schulden
weggehen. Das war ihm wichtig. Die Brüssel-Erfahrung hatte also eine sehr
positive Seite.
S
TANDARD:
Über Ihren Tisch müssen insgesamt
ja Milliarden geflossen sein?
Landesmann:
Es waren 5,6 Milliarden. In all den Jahren haben wir nie
Zusatzsubventionen beantragt! Wir haben auch die Schulden von 1999 aufgefangen,
hinterlassen ein Plus. Interessant ist: Die direkten Steuern, die wir entrichtet haben,
lagen über den Zuwendungen. Auch haben wir rund 211 Millionen in die
Infrastruktur investiert: In Sanierungen der Technik, in den Schüttkasten, in die
Adaption neuer Spielstätten.
S
TANDARD:
Die Philharmoniker fühlen sich wie ein
Festival im Festival. Und einige Musiker gehen ja auch noch
Nebenbeschäftigungen nach.
Landesmann: Wenn ich das Orchester gebraucht habe, habe ich es
bekommen. Probleme gab es nur, wenn die Musiker gewechselt haben. Im
Konzertbereich gab es das nicht, aber im Opernbereich hatte Mortier mit Dirigenten zu
kämpfen, die wütend waren, wenn es eine Änderung am ersten Pult
gab. Das war der größte Reibungspunkt. Wir haben schließlich
erreicht, dass es nur einen "kontrollierten Wechsel" gibt, und das haben
die Philharmoniker großteils eingehalten. Aber es ist enorm, was sie in Salzburg
leisten. Und der entscheidende Vorteil: Wenn ein anderes Orchester für ein Werk
zehn Proben braucht, schaffen die Philharmoniker das in fünf.
STANDARD: Mortier hat das Publikum beschimpft, Sie haben
es gelobt . . .
Landesmann: Ich glaube, dass das Konzertpublikum wegen der Musik
kommt, und dass umgekehrt sehr viele in der Oper sitzen - und das irritiert eben
Mortier -, die eigentlich nur das hören wollen, was sie immer gehört haben.
STANDARD: Sie sind ab nun Musiktheaterchef bei den
Wiener Festwochen. Würde es Sie eigentlich interessieren, wie
Exfestspielpräsident Heinrich Wiesmüller in das Salzburger Kuratorium zu
wechseln?
Landesmann: Das wäre nicht richtig. Es wurde mir zwar
einiges angeboten, die Pfingstfestspiele zum Beispiel, aber das hätte keinen
Sinn.
STANDARD: Kann es Kooperationen zwischen Festwochen
und Festspielen geben?
Landesmann: Das ist, glaube ich, zu weit auseinander.
STANDARD: Ihre Pläne bei den Wiener
Festwochen?
Landesmann: Meine Aufgabe wird auch sein, mit den Häusern, die
Konzerte veranstalten, eine engere Beziehung zu den Festwochen herzustellen.
STANDARD: Ihre Vorhaben sind auch mit dem Plan
gekoppelt, das Theater an der Wien verstärkt mit Oper zu bespielen.
Landesmann: Ich habe vorgeschlagen, dass die Festwochen eine
Tochtergesellschaft gründen, die das Theater das ganze Jahr verwaltet,
natürlich dann mit Perioden für Oper, Operette und Musicals. Sie wissen,
dass die Sache auch politisch nicht einfach ist, und ich will überhaupt nicht
Intendant werden. Aber ich glaube, die Struktur der Festwochen ist dafür
geeignet, das Theater an der Wien zu übernehmen. Zum Repertoire: Ich will das
Staatsopernprogramm durch Barockoper, Klassiker des 20. Jahrhunderts und
zeitgenössische Oper ergänzen.
Ich will auch mit der Staatsoper kooperieren. Bisher ist das oft daran gescheitert,
dass die Philharmoniker wegen ihrer Staatsopernarbeit keine Zeit hatten. Deswegen
möchte ich die Wiener Symphoniker als Opernorchester gewinnen. Sie werden
2003 die Klagenfurter Butterfly spielen. Ich möchte ja auch gute
Bundesländerproduktionen zeigen.
(DER STANDAR, Print, 1.09.2001)