Venedig - Für Seifenopern Made in India haben europäische und amerikanische KritikerInnen meist nur ein leises Lächeln übrig: Jede Menge schwülstige Musik, vollschlanke Tänzerinnen und Liebhaber mit reichlich Gel in den Haaren. Davon hat auch der neue Film der indischen Erfolgsregisseurin Mira Nair ("Salaam Bombay") einiges zu bieten. Doch wie die 43-Jährige es versteht, mit den Stilmitteln von "Bollywood" umzugehen, hat beim Filmfestival in Venedig aufhorchen lassen. "Monsoon Wedding" heißt ihr ironisch-spielerischer Streifen - immerhin der erste von 20 Wettbewerbs-Beiträgen um den "Goldenen Löwen", der nach der Aufführung am Lido Beifall bekam. "Es ist ein sinnlicher Film über eine Hochzeit einer Familie aus Punjab, ganz wie meine eigene Familie", bekennt Mira Nair. Aus der halben Welt lässt der "globalisierte" Punjab-Clan der gehobenen Einkommensklasse die Familienmitglieder einfliegen. Und während die Eltern der Braut zumindest auf eine teilweise traditionelle Hochzeit samt Ehrerbietung für die Ahnen bestehen, gerät so manches aus den Fugen - doch alles erzählt mit Humor, wilder Musik und einer Ironie, wie es bisher am Lido nicht allzu oft geboten wird. Eine Hochzeit als Zirkusvorstellung "Eine Hochzeit, die schnell zur Zirkusvorstellung gerät", meint denn die Regisseurin. Vier Tage der Hochzeitsvorbereitungen werden erzählt, mehrere Handlungsstränge miteinander verwoben: Da ist die junge Braut, bei der es noch kurz vor der Hochzeit mit einem anderen Boyfriend im Auto zur Sache geht; da ist der Familienvater, der unter den Ausgaben für die Festivitäten ins Schwitzen gerät; da ist ein verzogenes Söhnchen, das sich statt für Cricket für Kochkurse und Tanzen interessiert. Und da ist ein smarter Onkel, der sich nebenbei an kleinen Mädchen vergreift - erstmals, so heißt es, widme sich ein indischer Film dem Thema sexueller Kindesmissbrauch. "Ein wirklich indischer Film" "Der Film scheint ganz anders als alles, was ich bisher gemacht habe", meint die Regisseurin. ""Monsoon Wedding" ist ein wirklich indischer Film." Während Mira Nair in "Salaam Bombay" (1988) noch beinahe dokumentarisch das Leben indischer Straßenkinder und Prostituierter beschreibt und in "Mississippi Masala" (1991) eine Story um die Vertreibung der InderInnen aus dem Uganda des Diktators Idi Amin vorlegte, greift sie diesmal ohne Berührungsängste zu den Stilmitteln der schwülstigen Seifenopern-Lovestories aus Bombay. KritikerInnen mögen einwenden, die Problematik des Kastenwesens und der arrangierten Hochzeiten gehe in dem bunten Wirbel eher unter, der Zusammenprall von Tradition und Moderne würde eher geschönt als problematisiert. Doch mit den wilden Tanzszenen unter dem Monsunregen, mit denen die Hochzeit endet, hat Mira Nair gezeigt, dass sie für echte Überraschungen gut ist. Derzeit arbeitet sie bereits an einem neuen Projekt: "Hysterical Blindness" mit Uma Thurman.(Apa)