Bern - Die Schweizer Presse reagierte am Freitag positiv auf die ersten acht Veröffentlichungen der Bergier-Kommission über die Rolle der Schweiz und ihrer Wirtschaft im Zweiten Weltkrieg und auf die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Beziehungen Berns zu den Achsenmächten. Zwar brächten die Studien wenig Spektakuläres zu Tage, doch liege ihr Wert in den zahlreichen Details und der Differenziertheit, lautete der Tenor. Die Berichterstattung zu den Studien nahm am Donnerstag in den Deutschschweizer Zeitungen viel Platz ein. Die Kommentatoren sparten nicht mit Lob: Es sei gelungen, solide Forschungsarbeiten vorzulegen, schrieb die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ). Damit seien Standards geschaffen worden. Von "profunder Information" schrieb auch die "Neue Luzerner Zeitung". Komplexität vermittelt Dank einzelner Steine erhalte das Mosaik auf unspektakuläre Weise ein neues Aussehen, hieß es in der "Basler Zeitung". Das vielleicht spektakulärste Resultat sei, dass ein Sinn für die Differenziertheit und Komplexität von geschichtlichen Vorgängen ins allgemeine Bewusstsein eingedrungen sei. Ähnlich urteilte das "St.Galler Tagblatt": Das Sensationelle liege am ehesten in der Knochenarbeit, schrieb der Kommentator. Sicher sei, dass die Studien zur Differenzierung des Geschichtsbildes beitrügen. Gelobt wurde auch die Zurückhaltung der Autoren: Der Zeigefinger bleibe meist im Hosensack, betonte die NZZ. Laut der "Solothurner Zeitung" sind die Berichte versöhnlich abgefasst und lassen Interpretationsspielraum offen. Schweiz hat kollaboriert Unterschiedlich gewichtet und kommentiert werden die Resultate: Der "Blick" stellt die Farbe "Polarrot" ins Zentrum, welche der Basler Chemiekonzern Geigy dem Dritten Reich für dessen Fahnen lieferte, und richtet Vorwürfe an den damaligen Bundesrat (Regierung). "Die Schweiz hat kollaboriert - aber auf eine sehr schweizerische Art", lautet das Fazit des "Tages-Anzeigers". Der Kleinstaat habe sich viel kleine und unnötige Schuld zukommen lassen.Nach Ansicht des "Bund" wird ersichtlich, dass Schweizer Firmen skrupellos mit dem Nazi-Reich Geschäfte machten. "Nicht weiss, nicht schwarz", titelte die "Aargauer Zeitung". Wirklich unschuldig habe in dieser Zeit niemand bleiben können, stellte sie fest. Es gebe keinen Grund sich erhaben zu fühlen, aber auch keinen, ständig in Sack und Asche zu gehen. Während die "Neue Luzerner Zeitung" befürchtet, dass die Erkenntnisse nun vereinfacht und je nach politischem Gusto interpretiert werden, betrachtet der "Bund" das Verhältnis der Schweiz zu ihrer Vergangenheit als "neutralisiert". Jetzt könnten Lehren gezogen werden, schreibt er. Konkreter wird die "Berner Zeitung": Die Studien böten Gelegenheit, über das Modell einer Schweiz nachzudenken, die sich ihrer Abhängigkeit bewusst sei und deshalb ein freiwilliges Bündnis mit integren Partnern suche. Auf geringes Interesse stiessen die Bergier-Studien in der Westschweiz: Die Berichterstattung fiel knapp aus, nur zwei Zeitungen verfassten Kommentare. Das Ausserordentliche seien nicht die Resultate, sondern die Ruhe, mit der sie aufgenommen würden, schrieb "Le Temps". Vor drei Jahren wäre dies nicht denkbar gewesen. Die Schweiz sei vom Krieg verschont geblieben und habe dafür einen Preis bezahlen müssen, stellt der "Quotidien jurassien" fest. (APA/sda)