Clermont-Ferrand/Wien - "Ursprünglich war der Ätna ein Hotspot-Vulkan", erklärt Gesteinsforscher Pierre Schiano gegenüber dem STANDARD, "doch jetzt wird er mehr und mehr ein Bogentyp." Hotspot-Feuerberge finden sich etwa auf Hawaii: Sie produzieren wenig explosives, dünnflüssiges und gasarmes Magma. "Ein typisches Beispiel für die andere Art", sagt der Vulkanforscher der Universität Blaise Pascal in Clermont-Ferrand, "sind die Philippinen. Die Bogenvulkane dort stammen daher, dass sich eine Erdplatte unter eine andere schiebt. Die Folge sind explosionsartige Ausbrüche. Und es steht zu befürchten, dass sie beim Ätna immer explosiver werden", erzählt Schiano. Charakterwandel im Berg Wann das genau zu erwarten ist, kann auch der Leiter eines französisch-italienischen Forscherteams nicht prognostizieren. Aber Pierre Schiano kann einen Zeitrahmen angeben: "Derartige Charakterveränderungen bei einem Vulkan haben in der Vergangenheit weniger als 100.000 Jahre gedauert." Und wie sind die Vulkanforscher aus dem französischen Zentralmassiv, einer an Feuerbergen reichen Landschaft, zu dieser Prognose gekommen, die quasi an die Grundfesten des Ätnabildes rührt? "Ich habe", erläutert Schiano, "die Zusammensetzung von erhaltenen Mikrotropfen Lava aus verschiedenen Gesteinsschichten analysiert. Die geben mir so etwas wie die Unterschrift des Primärmagmas und somit den Ursprung des Ätna. Dieses Primärmagma hatten wir lange nicht zur Verfügung, weil es unter anderem durch spätere Kristallisation maskiert war." Die Variation der Minerale hätte dem Gesteinsforscher dann den Hinweis auf den Mechanismus für den Charakterwandel des sizilianischen Vulkans gegeben. Alte Daten neu verstanden Damit lassen sich bereits bekannte Daten über den Ätna endlich erklären, dass seine Lava nämlich reich an Schwefel und Wasser ist - "wie immer bei Lava von Vulkanen des Bogentyps", weiß Schiano. "Mit seismologischen Methoden konnte man das Untereinanderschieben der Erdplatten in diesem Fall bisher nicht feststellen", illustriert der Franzose den Wert seiner Erkenntnis, die er auch in der heutigen Ausgabe von nature (Bd. 412, S. 900) platzieren konnte. Um sie zu bestätigen, müssten nun geophysische Analysen folgen. Dann könnte sich zeigen, dass sich die afrikanische und die europäische Erdplatte unter dem Feuerberg tatsächlich gegeneinander verschieben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 8. 2001)