Wien - "Jö, ein schöner Gürtel", dachte Herr L.* im Esprit-Modeshop im Mariahilfer Eurocenter, begutachtete das Preisschild, befand 219,50 Schilling als akzeptabel, packte das begehrte Modeaccessoire und legte es auf den Ladentisch, um zu bezahlen. "Das macht 220 Schilling", sagte die Kassiererin. Herr L. machte die Dame an der Kasse auf ihren kleinen Irrtum aufmerksam, nämlich, dass der Preis des Gürtels mit 219,50 S angeschrieben war. Er wurde allerdings von ihr aufgeklärt, dass die unliebsamen Groschenpreise, die durch die neuen Euro-Preiskalkulationen entstanden sind, in diesem Geschäft generell aufgerundet werden, berichtete Herr L. erbost dem S TANDARD . "Ich war aber nicht bereit, 50 Groschen mehr zu bezahlen." Angelockt durch den Disput an der Kasse, mischte sich die Filialleiterin ein. Sie entschied, um Streit zu vermeiden, dem aufgebrachten Herrn zuliebe, auf 219 S abzurunden. Am Kassabon scheinen trotz alledem 220 S anstelle der offiziellen 219,50 S auf. "Blöde nicht runde Preise" "Wir haben beschlossen, der Einfachheit halber diese blöden, nicht runden Preise einfach auf- oder abzurunden", verteidigte sich die leicht verärgerte Filialleiterin in einem Telefonat mit dem S TANDARD . Eine Minute später versicherte sie aber: "Ich hab' nun eh in Absprache mit dem Chef die Weisung gegeben, generell abzurunden." Eine weitere Minute später schiebt sie die Schuld an dem 50-Groschen-Dilemma aber plötzlich ihrer Kassiererin in die Schuhe: "Die ist erst am Donnerstag aus dem Urlaub zurückgekommen und hat nicht gewusst, dass wir die Groschenpreise ab- statt aufrunden." Die Filialleiterin, die es sich verbat, dass ihr Name genannt wird, gestand aber letztendlich doch: "O.K., ich sehe ein, es war ein Fehler, einfach aufzurunden. Aber ich will mich nicht ärgern wegen den paar Groscherln, des zahlt sich net aus. Ich find's nur blöd, bei mir lassen sich die Kunden immer aufs Groscherl genau rausgeben. Wenn auf der Straße ein Zehnerl liegt, bückt sich aber kein Mensch danach." Herrn L. waren die Groscherln auch "eher wurscht", ihm ist es "hauptsächlich ums Prinzip" gegangen. Gut so, denn rechnet man den angegebenen Europreis von 15,95 Euro in Schilling um, merkt man, dass auch beim offiziellen Esprit-Preistaferl, das die Firmenzentrale in Düsseldorf erstellt, bereits schon einmal aufgerundet wurde: 15,95 Euro sind nämlich korrekt umgerechnet 219,48 Schilling und nicht 219,50 Schilling. (Astrid Kasparek, DER STANDARD, Printausgabe 28.8.2001)