Alpbach - Um die Herausforderungen der Erweiterung in den kommenden zehn Jahren zu bewältigen, müssten die europäischen Politiker ihre Fähigkeit zu Visionen unter Beweis stellen, betonte der belgische Außenminister und derzeitige EU-Ratspräsident Louis Michel bei der Eröffnung des Politischen Gesprächs in Alpbach. Auch wenn Belgien die Ergebnisse des EU-Reformvertrages von Nizza als unbefriedigend ansehe, dürfe der Vertrag nicht abgelehnt werden, warnte der belgische Politiker. "Damit würden wir ein negatives Signal zu einem schlechten Zeitpunkt an die Kandidatenländer senden, nämlich das einer unentschlossenen und zittrigen Union am Vorabend der historischen Wiedervereinigung des großen Europa". "Freiheit, Solidarität und Fortschritt" Die derzeitigen EU-Staaten müssten bereit sein, den demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert Europas mit den Neuen zu teilen, forderte der liberale wallonische Politiker, der vergangenes Jahr zu den schärfsten Kritikern der schwarz-blauen Regierungskoalition in Wien gehört hatte. "Freiheit, Solidarität und Fortschritt" bezeichnete Michel als die europäischen Grundwerte, die es einzuhalten gelte. Eine wichtige Etappe wird die EU laut Michel mit der physischen Einführung des Euro und einer möglichen Entscheidung der EU-Staats- und Regierungschefs im Dezember in Laeken zur Konkretisierung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinter sich bringen. Damit werde die internationale Rolle Europas gestärkt. Als weitere Themen für den Gipfel nannte der EU-Vorsitzende die Übernahme der Menschenrechtscharta in den EU-Vertrag, die Vereinfachung des EU-Vertragswerkes, um Europa verständlicher zu machen und den Weg für eine europäische Verfassung zu ebnen, sowie eine bessere Aufgabenverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten. Festlegen wer was tut Es müsse festgelegt werden, "wer was tun soll." Schließlich sollten die nationalen Parlamente stärker in die europäischen Entscheidungen eingebunden werden. Allerdings müssten die Regierungen einzeln darüber entscheiden, wie weit sie gehen wollten. Eine generelle Regel sollte nicht aufgestellt werden. Frustrierend ist laut Michel, wie wenig Aufhebens von den Fortschritten Europas in den vergangenen 40 Jahren gemacht werde. Es scheine, als ob die "Verirrungen des Nationalismus von gestern, die Verletzung der Minderheitenrechte, wilder Wettbewerb und Barbarei des Krieges vergessen" seien. Konkret befürwortete Michel mehr europäische Integration in den "bürgernahen" Bereichen Gesundheit, Umweltschutz, Justiz, Verteidigung, Asyl und Einwanderung. Die Bürger erwarteten Antworten auf Fragen des Alltagslebens wie Lebensmittelsicherheit, oder Auswirkungen einer schlechten Einwanderungspolitik und auf Ängste, ihre sozialen Rechte zu verlieren. (APA)