Österreichs Postbetriebsräten muss man dankbar sein für ihre Geldgier. Denn sie gewähren der staunenden Öffentlichkeit nicht nur einen Blick in die obszöne Finanzgebarung von Arbeitnehmervertretern, die zu Solidarität verpflichtet wären. Die Affäre wirft auch ein Licht auf den Umgang des Staates mit seinen Betrieben, Mitarbeitern, Managern und seinem Eigentum. Und der ist, ohne Übertreibung, über weite Strecken unter jeder Kritik. Wohin man blickt, gibt es Fesseln und Fallstricke, die marktgerechte Unternehmenspolitik sehr schwer machen. Das Grundübel sind dabei nicht so sehr Manager, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind, sondern die Bleikugeln, an die die Betriebe bei der Ausgliederung gefesselt wurden. ÖBB wie Post und Telekom wurden mit Schulden in Milliardenhöhe in die Unabhängigkeit geschickt, obwohl für Technik, Marketing und Vertrieb ohnehin Milliarden - die in keinem Sparstrumpf versteckt waren - aufgebracht werden mussten. Hinzu kommen gemeinwirtschaftliche Leistungen wie Telefonzellen, Postämter im kleinsten Nest oder Züge, die bei jeder Hundehütte Halt machen. Diese müssen weiterhin und am besten gratis erbracht werden, ohne dass zuständige Minister auch nur Mindeststandards dafür festlegen. Im Gegenteil, die Vorstände von Aktiengesellschaften müssen darum streiten, dass der Bund zur Zeitungszustellung oder zur Befreiung von der Telefongrundgebühr für Sozialfälle wenigstens zuzahlt, obwohl die volle Abgeltung versprochen wurde. Was als seligmachender Rückzug des Staates verkauft wurde, war de facto nur Budgetverschönerung. Man musste die notorischen Defizitbringer vor der EU "verstecken". Und packte diese einmalige Gelegenheit beim Schopf, sich vor der großen Verantwortung gemeinwirtschaftlicher Pflichten zu drücken. Ein gutes Beispiel für die Kurzsichtigkeit der Politiker sind die Bundesforste, seit der Ausgliederung ein florierendes Unternehmen, das satte Dividenden abwirft. Nun sollen sie dem Bund im Namen des heiligen Nulldefizits Seen und Gewässer um drei Milliarden Schilling abkaufen. Damit wird der betriebswirtschaftliche Zweck der Ausgliederung neuerlich konterkariert.

An Beweisen, dass die Politiker aus mehr als dreißig Ausgliederungen nichts gelernt haben, mangelt es nicht: Bei der Bundesimmobiliengesellschaft BIG liebäugelt der Finanzminister mit einem Börsegang, obwohl diese nicht einmal freie Hand bei ihren Mieten hat; das Arbeitsmarktservice AMS wurde "ausgeräumt", und der Wirtschaftsminister will keine Haftungen für allfällige Schulden übernehmen; der zur ÖIAG überstellte Postbus hat in seiner Bilanz Vermögenswerte eingetragen, deren Buchwert den Verkehrswert bei weitem übersteigt. Damit ist wieder einmal sichergestellt, dass den brustschwachen Kindern der Republik für den Wettlauf um Marktanteile Hürden statt Gehschulen mitgegeben werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.8.2001)