Crawford - US-Präsident George W. Bush hat die Bereitschaft der USA bekräftigt, sich notfalls auch ohne Einigung mit Russland aus dem ABM-Vertrag zurückzuziehen. Das Abkommen zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen behindere sein Land, "sich gegen die wahre Bedrohung des 21. Jahrhunderts zu verteidigen", sagte Bush am Donnerstag im texanischen Crawford, wo er zur Zeit auf seinem Landsitz seinen Urlaub verbringt. Es gebe jedoch keinen Zeitplan für die Aufkündigung des Abkommens, erklärte Bush vor Journalisten. Nach einem Treffen mit dem US-Gesandten John Bolton in Moskau reagierte der russische Außenminister Igor Iwanow zunächst nicht auf die Äußerungen Bushs. Russland lehnt die US-Pläne für ein nationales Raketenschild ab und beharrt auf der Einhaltung des ABM-Abkommens von 1972. Der Vertrag über die Abwehr ballistischer Raketen (ABM) verbietet den Aufbau einer landesweiten Raketenabwehr. "Wir werden uns ... zurückziehen, ... wann es Amerika passt" Angesichts des anhaltenden russischen Widerstands kündigte Bush an, die USA wollten sich für eine Lösung einsetzen, die über das ABM-Vertragswerk hinausgehe. Der russische Präsident Wladimir Putin kenne die amerikanischen Pläne, den ABM-Vertrag zu kündigen, sagte Bush. Er bekräftigte, "und das ist, was wir tun werden." Der Zeitpunkt für diesen Schritt ist nach Angaben von Bush noch offen. "Wir werden uns aus dem ABM-Vertrag zurückziehen, nach unserem Zeitplan, wann es Amerika passt", sagte der US-Präsident bei einem überraschenden Besuch in einer Grundschule der 730 Einwohner zählenden Gemeinde. Regierungsvertreter in Washington betonten, die derzeitigen Abrüstungsgespräche mit Moskau würden damit nicht in Frage gestellt. "Wir hoffen, dass wir uns mit Russland einigen können, um den ABM-Vertrag zu überwinden", sagte Bush-Beraterin Karen Hughes. Bolton versicherte am Freitag nach dreitägigen Gesprächen in Moskau, er habe seinen russischen Gesprächspartnern kein Ultimatum für eine Änderung ihrer bisherigen Haltung gestellt. Sinn seines Besuches sei es in erster Linie gewesen, das für Mitte September geplanten Treffen Iwanows mit US-Außenminister Colin Powell in Washington vorzubereiten. Es war der dritte ranghohe Besuch eines US-Vertreters in Moskau binnen eines Monats. Bush will Putin im Oktober in Shanghai und im November auf seinem Landsitz in Crawford treffen. Schutz vor "Schurkenstaaten" Noch vor wenigen Tagen hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Aufkündigung des ABM-Vertrags vor einem neuen Sicherheitsabkommen mit Moskau nicht ausgeschlossen. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass eine Einigung mit Moskau über die Verringerung atomarer Sprengköpfe und zur geplanten US-Raketenabwehr gefunden werden könne. Am Freitag wollte Bush mit ranghohen Verteidigungsexperten über die Modernisierung der Armee und Rüstungsfragen beraten. An dem Treffen in Crawford sollten auch Rumsfeld und Luftwaffenchef Richard Myers teilnehmen. Mitte Juli hatten Putin und Bush vereinbart, die Gespräche über den geplanten US-Raketenschutzschild mit weiteren Fragen der Abrüstung zu verknüpfen. Die USA wollen mit sich mit ihrem umstrittenen Raketenschild gegen so genannten "Schurkenstaaten" wie Nordkorea oder Irak schützen. Moskau lehnt die Pläne als Bruch des ABM-Vertrages ab. Dabei drängt für das Pentagon die Zeit: Schon das Abfeuern von Abfangflugkörpern zu Testzwecken und der für April geplante Aufbau von Raketensilos in Alaska verstoßen gegen die engen Bestimmungen des Regelwerks. Dann bliebe Washington nur die Alternative, den Vertrag mit einer Frist von sechs Monaten einseitig zu kündigen. (APA)