Rollstuhlfahrer, Blinde und Hörgeschädigte sind zu Recht erbost angesichts der Behandlung, die ihnen täglich widerfährt: Sie stehen vor unüberwindlichen Treppen, finden sich ohne Leitsystem in Brailleschrift in öffentlichen Gebäuden nicht zurecht und können daher auch oft Konzerten und Vorlesungen nicht folgen. Der Prestigebau des Wiener Museumsquartiers ist ein weiteres Beispiel in der langen Liste diesbezüglicher Baumängel, die auch Shoppingcenter, Kinopaläste, Universitätsgebäude umfasst, wo Menschen mit Behinderungen - aber auch Älteren oder Familien mit Kinderwägen - unnötige Hürden in den Weg gelegt werden. Es gibt detailreiche Empfehlungen des Österreichischen Normungsinstituts, wie "barrierefrei" gebaut werden kann. Es ist aber nicht die Norm, dass diese auch umgesetzt werden. Es wird an den Bauordnungen Maß genommen, in denen zwar ein Minimum an Behindertengerechtigkeit vorgesehen ist, das aber oft nicht in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Und dann? In Wien gilt ein öffentlicher Bau als fertig, wenn Ziviltechniker bestätigen, dass er gemäß den Plänen und der Bauordnung errichtet wurde. Auch hinterher werden die Behinderten "vergessen". Warum fällt bei einer Baubegehung nicht auf, dass sich Liftdisplays für Rollstuhlfahrer in unerreichbarer Höhe befinden? Oder keine Rampen gebaut wurden? Und warum kann das geflissentliche "Übersehen" solcher Mängel nicht endlich abgestellt werden? Es ist wohl Unachtsamkeit der gehenden, sehenden, hörenden Bauverantwortlichen, dass sie die Bedürfnisse Behinderter trotz eines gesetzlichen Auftrages nicht mitdenken. Und kommt dann doch jemand drauf, dass ein Bau behindertenuntauglich ist, folgt das Totschlagargument: "Nachrüsten ist zu teuer." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. August 2001)