Regierungen kann man wechseln wie Hemden, Beamte aber bleiben. Diese Hofratseinsicht lässt sich leicht auf die Geschichte der Salzburger Festspiele übertragen: Karajan? Mortier? Ruzicka? Einerlei, am Salzburger Domplatz lebt und stirbt Jedermann wie ehedem. Das nach säuerlicher Kirchenmoral riechende Stück ist der eigentliche kulturelle Kern des konservativen Salzburgs und seiner Geschäftemacher. Daran hat auch Mortier nichts geändert. (Was hätte Bertold Brecht daraus gemacht, wäre er nicht von fanatischen Antikommunisten aus Salzburg vertrieben worden?) Der Theaterpublizist Andres Müry erzählt, mit Fotos gut dokumentiert, die Geschichte eines "der merkwürdigsten Theaterkulte der Neuzeit". Vom Duo Hofmannsthal/ Reinhardt, die nach der nahe liegenden Interpretation Mürys der von Kriegen gebeutelten Welt mit ihrem neobarocken Theater auch die politische Botschaft der katholisch-ständischen Restauration vermitteln wollten, bis zum Ausblick auf 2002 mit Regisseur Christian Stückl und Jedermann Peter Simonischek. Dass das - übrigens 1911 in einem Berliner Zirkus uraufgeführte - reaktionäre Bekehrungsstück seit 1920 am Domplatz so erfolgreich läuft (nur die Nazi-Diktatur verbannte die Festgesellschaft kurzzeitig), hat für Müry viele Gründe. Der wohl wichtigste: "Jedermann" war zu allen Zeiten die "cash cow" der Festspiele. Die Daten sind beeindruckend: 2061 Sitzplätze, neun Vorstellungen pro Sommer ausverkauft, knapp 19.000 Besucher macht 18 Millionen Schilling (1,3 Mio. EURO) an Einnahmen. Dazu kommt noch das Spiel mit der einzigen Angst, die der moderne Mensch mit seinen Urahnen gemein hat: das Wissen um den eigenen Tod. (Thomas Neuhold ) (DER STANDARD vom 22.8.2001)