Wien - Dass die EU-Osterweiterung für Österreich in vielen Bereichen eine Rückkehr in einen traditionellen Zustand ist, beweist auch die langfristige Entwicklung des Außenhandels mit Osteuropa. Allerdings wurden dabei die meisten Vorteile aus dem Wegfall der Handelsbarrieren schon seit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 "konsumiert", wie Jan Stankovsky vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) gegenüber der APA sagt. Der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten zur EU werde aber noch einmal einen Wachstumsimpuls liefern. Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie 1918 blieb die enge wirtschaftliche Verflechtung des Gebietes zunächst auch unter den Nachfolgestaaten erhalten. 1924 entfielen 48,6 Prozent der österreichischen Exporte und 51,2 Prozent der Importe auf mittel- und osteuropäische Staaten. Die wichtigsten Handelspartner in der Region waren damals die Tschechoslowakei (22,6 Prozent Importanteil 1924) und Ungarn. Obwohl rückläufig, war die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Osten auch 1937 mit 33,4 Prozent der Exporte und 40,0 Prozent der Importe immer noch sehr hoch. Jahrzehntelang abgeschnitten Die Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg schnitt Österreich dann für Jahrzehnte von seinem natürlichen Einzugsgebiet ab. Lagen die Importe aus dem Osten 1947 noch bei 24,9 Prozent und die Exporte in die Region bei 19,6 Prozent, so fiel das Volumen mit Beginn des Kalten Kriegs signifikant. 1955 gingen nur mehr 11,3 Prozent der Exporte in den Osten und kamen 9,8 Prozent der Importe aus der Region. Als neutrales Land zwischen Ost und West vermochte Österreich in den folgenden Jahren die Türe zum Osten immer einen Spalt offen zu halten. Dennoch schrumpfte der Osthandel bis 1989 auf 9,9 Prozent der Exporte und 6,8 Prozent der Importe. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs setzte schlagartig wieder ein dynamisches Wachstum ein. Innerhalb von acht Jahren verdreifachten sich die österreichischen Exporte nach Osteuropa auf 17,6 Prozent im Jahr 1997. Wichtigste Handelspartner waren - wie knapp 75 Jahre zuvor - Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Nachdem die Dynamik durch die Russland-Krise 1999 abgeschwächt wurde, erlebte der Osthandel im Vorjahr wieder einen Aufschwung und machte 16,5 Prozent des gesamten Handelsvolumens aus. Weitere EU-Mitgliedschaft gibt Impulse Von der EU-Mitgliedschaft der mittel- und osteuropäischen Staaten erwartet Stankovsky einen weiteren Impuls für den österreichischen Osthandel. Obwohl die wichtigsten Liberalisierungsmaßnahmen mit den so genannten Europa-Abkommen schon zu Beginn der neunziger Jahre erfolgten, werde es weiter wachstumsfördernde Entwicklungen geben. Dazu zählt Stankovsky die Beseitigung von Grenzkontrollen, die Vereinheitlichung von Normen und Regelungen sowie die Übernahme einheitlicher EU-Standards. Zudem wird der EU-Beitritt das Wirtschaftswachstum in den neuen Mitgliedstaaten ankurbeln, wodurch wiederum die Nachfrage und damit auch die Marktchancen für Exporteure steigen. Außerdem werde der EU-Beitritt die politische Lage stabilisieren und damit eine wichtige Voraussetzung für Investitionen schaffen. Daher hält es Stankovsky für realistisch, dass der Osthandel langfristig 20-22 Prozent des gesamten österreichischen Außenhandels betragen wird. "Die Werte der Zwischenkriegszeit werden wir aber nie mehr erreichen", meint der Wirtschaftsforscher. (APA)