Kaum vermutet man, nur einen kurzen Moment lang, ein Verständnis zwischen zwei Personen, da kippt die Situation schon wieder, und die Gewalt bricht hervor. Die Hemmschwelle ist in Goran Paskaljevic' "Bure Baruta/Das Pulverfass" (1998) denkbar niedrig, der Fatalismus allgegenwärtig:

Eine Reihe von erst ganz unspektakulären Begegnungen unterschiedlicher Menschen wird im prämierten Spielfilm des serbischen Regisseurs im Laufe einer langen Nacht in Belgrad zum Vexierbild einer kopflosen Gesellschaft: ein Autounfall erhitzt die Gemüter übers Maß, zwei alte Kumpels schlagen sich beim Boxen mit Geständnissen blutig, ein junger Bosnier findet am Schwarzmarkt einen Job und ein falsches Vorbild.

Der Umschlag vom Alltag ins Chaos geschieht bei Paskaljevic im Schnitt von einem Bild zum nächsten: Aus Nichtigkeiten entstehen die Konfrontationen, doch es sind meist äußere Zusammenhänge, die die Figuren dazu verleiten. Die eigentliche Ursache bleibt indes im Dunkeln, denn den Krieg vermittelt Paskaljevic bloß als Echo. Es sind kurze skizzenhafte Fallbeispiele, nur lose miteinander verstrickt, die hier einen Ausnahmezustand diagnostizieren, der sich schon im sozialen Miteinander nachhaltig abzeichnet.

"Bure Baruta", der den Arte-Schwerpunkt "Kino im Pulverfass - Filmemacher aus Jugoslawien" am 24. 8. abschließt, ist das eindrucksvolle Beispiel eines Films, der noch zu Kriegszeiten einen analytischen Blick auf sein Land wirft - und dafür auch vom Milosevic-Regime heftig attackiert wurde. Herbert Krills Dokumentation zur Reihe zeigt jedoch, dass Paskaljevic damit kein Einzelner ist. Trotz der brachliegenden Filmlandschaft schien der Krieg nicht wenige jugoslawische Filmemacher geradezu beflügelt zu haben, warf er doch eine Vielzahl an "Themen" für Filmarbeiten ab.

In Interviews - darunter Paskaljevic, Emir Kusturica, dessen Drehbuchautor Gordan Mihic oder der Schauspieler Lazar Ristovski - geht Kino im Pulverfass diesem Phänomen nach und bringt zudem Ausschnitte aus neueren Produktionen. Dabei erhält man den Eindruck eines äußerst heterogenen Schaffens, von kommerziellen bis unabhängigen Produktionen, denen eine kritische Haltung zur jüngsten Vergangenheit gemeinsam ist - sodass man sich zuletzt mehr dieser Arbeiten im Fernsehen wünscht. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD; Print-Ausgabe, 22. August 2001)