Wien - Das hohe agrarische Potenzial der EU-Beitrittskandidaten wird derzeit nicht voll ausgeschöpft. Um dieses nach der Übernahme der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Integration in den EU-Binnenmarkt besser nutzen zu können, müsste eine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit der osteuropäischen Landwirtschaft gewährleistet werden. Außerdem müsse es wirtschaftliche Anreize für die Produzenten geben, sagt Matthias Schneider, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Sanierung und Modernisierung Die den Kandidaten zustehenden Förderungen aus den EU-Fonds sollten daher vorrangig zur Sanierung und Modernisierung der Produktionsanlagen, zum Aufbau effizienter Vermarktungseinrichtungen und zur Förderung der ländlichen Entwicklung eingesetzt werden. Wichtig sei, vor der Gewährung von Beihilfen zur Ausweitung von Produktionskapazitäten die Aufnahmefähigkeit der Märkte zu prüfen. Die osteuropäischen Transformationsländer seien viel stärker agrarisch geprägt als Westeuropa. Arbeitskräfte seien hier reichlich verfügbar und billig, die natürlichen Voraussetzungen für landwirtschaftliche Erzeugung günstig. Die Kandidatenländer seien im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gut mit fruchtbaren Böden ausgestattet. "Im Durchschnitt stehen den zehn Beitrittskandidaten je Einwohner doppelt so viel Ackerland und um die Hälfte mehr landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung als in den 15 EU-Staaten", sagt Schneider. Agrarquote viermal so hoch Die Agrarquoten bei Beschäftigten und am Bruttoinlandsprodukt seien mehr als viermal so hoch wie jene in Westeuropa. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf erreichte dagegen 1999 nur ein Sechstel des EU-Schnitts. Diese Werte variieren von Land zu Land erheblich, sagt Schneider: "In den wirtschaftlich stärkeren Transformationsländern Slowenien, Tschechien, Ungarn und der Slowakei ist der Anteil der Landwirtschaft an den Erwerbstätigen dem Durchschnitt der EU-15 bereits relativ nahe und damit viel niedriger als bei den EU-Staaten Griechenland, Portugal oder Irland." Die Agrarprotektion (staatliche Preisstützungen oder Direktzahlungen) sei in Osteuropa weit niedriger als in der EU. Während die EU-Bauern knapp die Hälfte ihrer Erträge dem Staat verdanken, wären es in Osteuropa nur 25 Prozent. "Die Interventionen im Rahmen der GAP haben die landwirtschaftlichen Erträge im Vergleich zu einer Situation zu Weltmarktbedingungen fast verdoppelt", sagt der Wifo-Experte. (Robert Zwickelsdorfer, DER STANDARD, Printausgabe 20.8.2001)