Belgrad - Der frühere bosnisch-serbische Zivilführer Radovan Karadzic dürfte zum Opfer eines Tauschgeschäftes werden. Belgrader Medien berichteten dieser Tage unter Berufung auf die kroatische Zeitschrift "Globus", die bosnisch-serbischen Behörden seien bereit, den wegen Kriegsverbrechen angeklagten Karadzic festzunehmen und an das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien zu überstellen, falls der Zollposten in Samac östlich von Bosanski Brod, der mit Finanzmitteln der EU erst errichtet werden soll, der Serbischen Republik zufallen soll. Tudjman gegen zurückliegendes Angebot Die Zeitschrift schrieb unter Berufung auf bosnisch-serbische Kreise in der Kommunalverwaltung von Samac, es handle sich dabei um ein altes Angebot. Es sollte zum ersten Mal gleich nach dem Abschluss des Friedensabkommens von Dayton im Jahre 1995 verwirklicht werden. Damals sei das Tauschgeschäft am Widerstand des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gescheitert, behauptete die Zeitschrift. Dem Zollposten in Samac, der sich am europäischen Korridor Fünf befindet, wird in Bosnien große Bedeutung beigemessen. UNO vermutet Karadzic weiter in Bosnien Radovan Karadzic, der meistgesuchte Kriegsverbrecher auf der Fahndungsliste des Haager Kriegsverbrechertribunals, versteckt sich nach Angaben des Gerichts weiterhin im serbischen Teil Bosniens. "Wir haben gute Gründe anzunehmen, dass Karadzic und etwa 20 weitere Beschuldigte in der Republika Srpska leben", sagte der Stellvertreter von Chefanklägerin Carla Del Ponte, Graham Blewitt, in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Der genaue Aufenthaltsort der Angeklagten sei allerdings unbekannt. Das Tribunal wirft Karadzic Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Gemeinsame Anklage Im Fall einer Verhaftung soll Karadzic gemeinsam mit zwei anderen ehemaligen politischen Führern der bosnischen Serben vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der Prozess gemacht werden. Im Jänner beginnt das Verfahren gegen Biljana Plavsic, die einstige Vizepräsidentin der bosnischen Serbenrepublik, und Momcilo Krajisnik, den ehemaligen Parlamentspräsidenten. "Es ist im Interesse aller, dass es nur einen Prozess (für alle drei) gibt", sagte Blewitt im Gespräch mit der bosnischen Tageszeitung "Dnevni Ava". Plavsic und Krajisnik werden ebenfalls Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. (APA) Über die Festnahme von Karadzic, der sich seit Jahren irgendwo in Ostbosnien versteckt hält, wird nach der Überstellung von Slobodan Milosevic an das Tribunal immer häufiger gesprochen. Der Name des ebenfalls angeklagten früheren bosnisch-serbischen Militärführers Radko Mladic taucht in diesem Zusammenhang seltener auf. (APA)