Durham/Roslin/Wien - Das Klonen von Menschen soll laut Forschern der Duke University, Durham, viel weniger riskant sein als das anderer Säugetiere, und zwar wegen des Unterschieds in einem einzigen Gen, dem des Wachstumsfaktors Igf2r. "Das ist schon ein sehr vorschnelles und wenig fundiertes Urteil", kommentiert Alan Colman, einer der "Dolly"-Schöpfer im schottischen Roslin, dem STANDARD gegenüber, "es gibt ja viele andere Gene, die in der Entwicklung wichtig sind." "Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen", ergänzt Erwin Wagner vom Wiener Grundlagenforschungsinstitut IMP, "wir wissen gerade von Igf2r, dass seine Mutationen bei Menschen zur häufigsten Form von ,Überwachstum' führen." In der Sicht der Duke-Forscher soll Igf2r dafür verantwortlich sein, dass beim Klonen etwa von Rindern und Schafen die Erfolgsraten extrem niedrig sind - für ein Schaf wie "Dolly" braucht man 300 Versuche -, was alle Tierkloner heftig vor dem Menschenklonen warnen lässt. Aber die Duke-Forscher sehen in der Embryonalentwicklung von Menschen dieses Problem nicht, weil bei Menschen das Igf2r-Gen eine Besonderheit hat. Kampf der Gene Bei manchen Genen liefern sich die mütterliche und die väterliche Kopie im Embryo eine wahre Schlacht und versuchen, die je anderen auszuschalten. Das heißt "imprinting" ("Prägung") und wurde zu Beginn der 90er-Jahre just an Igf2r - an Mäusen, die Erwin Wagner gentechnisch konstruiert hat - entdeckt: Das väterliche Gen "will" großen Nachwuchs, das mütterliche wehrt sich dagegen. Durch das Klonen kommt es oft dazu, dass eines der Gene das andere so weit ausschaltet, dass es zu "fötalem Überwachstum" und einer Reihe von Entwicklungsstörungen kommt. Beim Menschen soll das nun nicht passieren können, weil bei ihm Igf2r kein "geprägtes" Gen ist, vermutlich zum Schutz vor einer anderen Wachstumsstörung: Krebs. Zwar funktioniert Igf2r bei Menschen wirklich anders als bei Mäusen, aber Wagner und Colman sehen darin keinerlei Grund, die Warnungen vor dem Menschenklonen zu mildern. "Ich bleibe dabei, was ich letzte Woche beim Klon-Hearing der US-Akademie der Wissenschaften gesagt habe", erklärt Colman: "Bei allen fünf bisher geklonten Säugetierarten gab es zunächst größte Probleme - Deformationen, Überwachstum, späte Aborte -, und zwar bei jeder Art andere. Die kann man mit Erfahrung zwar klein arbeiten. Aber beim Menschen auch nur zu versuchen, diese Erfahrungen zu machen, wäre höchst unethisch." (Details der Duke-Befunde: Human Molecular Genetics ) (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 16.8.2001)